Thüringer Allgemeine (Gotha)

Plädoyers für Weimars Alte Musik

Drohende Instituts-Abwicklung an der Franz-Liszt-Hochschule empört die Musiker-Zunft

- Wolfgang Hirsch

Eine Woge der Solidaritä­t bricht über das Institut für Alte Musik der Franz-Liszt-Hochschule in Weimar herein. Spitzenmus­iker aus Thüringen, aber bereits auch aus der internatio­nalen Szene warnen eindringli­ch vor dessen Abwicklung (wir berichtete­n) – allen voran Peter Gülke: Der 90-jährige Nestor des hiesigen Musikleben­s, Ehrensenat­or und Ehrendokto­r der Weimarer Hochschule, schrieb einen offenen Brief an deren Präsidenti­n Anne-Kathrin Lindig. Ebenso verfuhren Studierend­e des Instituts.

Sofort am Pfingstson­ntag starteten die jungen Leute eine OnlinePeti­tion auf der Plattform change.org mit dem Hilferuf „Rettet das Institut für Alte Musik!“und sammelten über Nacht die ersten 200 Unterschri­ften ein. Prestissim­o schnellte binnen dreier Tage die Zahl der empathisch­en Petitenten – Stand Mittwochna­chmittag – auf 11.000 hoch. Und ein Ende ist nicht absehbar.

Peter Gülke, ein gebürtiger Weimarer, der 2014 mit dem Ernst von Siemens-Musikpreis allerhöchs­te Ehren empfing, schreibt „mit großer Bestürzung“an Lindig. Als junger Mann habe er in seiner Vaterstadt Cello studiert und ebenso Gambe; die Alte Musik sei ihm ein „Lieblingst­errain“geblieben: weil die „Beschäftig­ung mit ihr derjenigen mit jüngerer, auch jüngster Musik in einem zuvor kaum vermuteten Maß zugutekomm­t“.

„Alte Musik ist längst kein Spezialfac­h mehr“, argumentie­rt Gülke; in seinen Augen gehört zur Musikeraus­bildung „praktische Erfahrung mit alten Instrument­en unabdingba­r dazu“. Er verweist auf die Konzertrei­hen und öffentlich­en Veranstalt­ungen des Instituts für Alte

Musik und warnt, dass dessen Abwicklung „rufschädig­ende Folgen“zeitigen würde.

Ähnlich äußern sich Katharina Klehr und Carl Franke als Studierend­envertrete­r in ihrem Brief an Lindig. Auch sie verweisen auf die Musikgesch­ichte, auf die touristisc­he Wirksamkei­t der Originalkl­ang-Konzerte sowie auf den Bedarf einer umfassende­n Instrument­al-Ausbildung. Deshalb appelliere­n sie an die „Verantwort­ungsgemein­schaft“der Hochschule, den Spardruck nicht allein auf ihr Institut abzulasten.

Unterdesse­n meldet sich Silvius von Kessel, Erfurter Domorganis­t und Präsident der Thüringer Bachwochen, zu Wort: „Bach und Liszt sind wie zwei Lungenflüg­el der Weimarer Musikgesch­ichte“, schreibt er unserer Zeitung. „Und in dieser inspiriere­nden Spannbreit­e sollte Weimar auch weiterhin den Nachwuchs – aus voller Lunge atmend – beflügeln.“

Offenbar ist auch die internatio­nale Alte-Musik-Szene schon alarmiert. Aus Berlin schreibt die renommiert­e Cembalisti­n Christine Schornshei­m mit der Quintessen­z: „Mein dringender Appell an die Hochschull­eitung: Sprechen Sie mit den Kolleg*innen des Instituts, wie Sie gemeinsam auch in schwierige­n Zeiten diese so wichtige Ausbildung erhalten können!“Diesen Sonnabend spielt sie mit der Akademie für Alte Musik das 412. Wartburgko­nzert in Eisenach.

Einige Promis schreiben auch in den Blog der Petition, darunter der Dirigent Hansjörg Albrecht aus Hamburg und sogar der Pianist und Weimarer Altrektor Rolf-Dieter Arens: „weil die Alte-Musik-Ausbildung gerade in Weimar unverzicht­bar ist!“– Darüber entscheide­t die Hochschulv­ersammlung am 1. Juli.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? WOLFGANG HIRSCH, MARCO BORGGREVE, ASTRID_ACKERMANN, ALEXANDER BUSCH ?? Dirigent Peter Gülke, Organist Silvius von Kessel (oben von links), Cembalisti­n Christine Schornshei­m und Altrektor Rolf-Dieter Arens setzen sich für das Alte-Musik-Institut in Weimar ein.
WOLFGANG HIRSCH, MARCO BORGGREVE, ASTRID_ACKERMANN, ALEXANDER BUSCH Dirigent Peter Gülke, Organist Silvius von Kessel (oben von links), Cembalisti­n Christine Schornshei­m und Altrektor Rolf-Dieter Arens setzen sich für das Alte-Musik-Institut in Weimar ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany