Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Schlotheimer kritisieren schlechte medizinische Versorgung
Heftige Diskussionen und Vorwürfe auf Stadtratssitzung. Man will „Druck auf Landkreis ausüben“
Schlotheim. Anfang Mai hatte Schlotheims Bürgermeister Hans-joachim Roth (CDU) im Kreistag einen Hilferuf abgesetzt (unsere Zeitung am 4. Mai). „Wir sind in Schlotheim überfordert“, sagte der Abgeordnete vor dem Gremium. „Die Nerven liegen bei uns blank.“Es fehle an ärztlicher Versorgung, auch der Spielplatz des Ortes sei mit Kindern von Asylsuchenden besetzt. Man brauche endlich das versprochene Sozialzentrum.
Zur Stadtratssitzung am Dienstagabend erreichte ihn die geballte Wut seiner Einwohner. Die nutzten die Fragestunde, um ihre Sorgen auszubreiten – mal mehr, mal weniger sachlich.
Der Verein Bürger für Schlotheim, der sich als ein „Verein zur Wahrung von Bürgerinteressen und Bürgerrechten“sieht, hatte ein Papier erarbeitet, mit dem er auf den Ärztenotstand in der Stadt verweist. Derzeit gebe es nur eine Hausärztin, die ihre Praxis auch nur stundenweise geöffnet habe.
Brief mit Forderung nach weiteren Allgemeinärzten
Die medizinische Versorgung, vor allem für ältere Menschen, sei „fast zum Erliegen gekommen“. Und ältere Menschen gebe es in Schlotheim einige: 1000 der 3800 Einwohner seien über 65 Jahre alt. Die Ärztin in Schlotheim habe nicht nur die Menschen aus der Stadt zu versorgen, sondern auch die Flüchtlinge in der Unterkunft in Obermehler, die Obermehlerschen selbst und die Menschen in Marolterode.
Es braucht „dringend mindestens zwei, besser drei weitere Allgemeinmediziner“für eine wohnortnahe Versorgung. In der Kreisstadt würden „gefühlt zwei Drittel der Ärzte (im Raum Mühlhausen) praktizieren“für 30 000 Einwohner, sagte Astrid Gnehr als Vereinsvorsitzende. Ein Drittel sei für die anderen 49 000 Menschen zuständig. Zumindest auf dem Papier, denn schon jetzt pendeln viele zum Arzt in die Kreisstadt. Die Verwaltungsgemeinschaft Schlotheim brauche fünf Hausärzte.
„Wir fordern Sie auf, den Zustand sofort zu beenden und eine wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, heißt es in dem Schreiben, das dieser Tage an die Kassenärztlichen Vereinigungen in Bund und Land, Thüringer Ministerien, Abgeordnete und Medien geht.
Belästigt von den Flüchtlingen fühlen sich die Schlotheimer etwa im Tränenpark. Dort solle das Ordnungsamt kontrollieren, so die Forderung. Schließlich gehöre es sich nicht, dort „herumzulungern, am helllichten Tag Alkohol zu trinken und die Füße auf den Bänken zu haben“. Hauptamtsleiterin Christine Skrobanek brachte das auf: „Was ist denn eine Ordnungswidrigkeit? – Im Park zu sitzen jedenfalls nicht; und wenn die Flüchtlingskinder die Spielplätze nutzen, auch nicht“. Mit Schildern wolle die Verwaltung noch mal auf das Verbot, am Stausee Lagerfeuer zu entzünden hinweisen – und das auch kontrollieren.
Von den aufgebrachten Bürgern war eine – aus ihrer Sicht – mangelhafte Präsenz des Ordnungsamts in der Stadt kritisiert worden. Die zwei Mitarbeiterinnen sind für die gesamte Verwaltungsgemeinschaft zuständig.
Man fühle sich als „mündiger Bürger“vom Stadtrat „abgeblockt“, hieß es, als Stadtratsvorsitzender Herwig Heinemann (FDP) die Bürgerfragestunde beenden wollte. „Herr Heinemann, wenn Sie die Sorgen nicht ernst nehmen, legen Sie Ihr Amt nieder“, rief es von den Zuschauerbänken.
Stadträtin Steffi Funk (Linke) – „Ich habe vor meiner Haustür meine private Balkanroute“– wohnt in Schlotheim dort, wo der tägliche Weg vieler Flüchtlinge entlang führt. Sie ist „nicht mehr gewillt, täglich Müll vor ihrer Haustür zu entsorgen“.
Sebastian Wäldrich, er sitzt für die CDU im Stadtrat, nutzte die Abgeordnetenfragerunde zur Kritik an Landrat Harald Zanker (SPD). Man fühle sich von ihm hingehalten. „Der Hilferuf war absehbar gewesen“, meinte er und forderte auf, darüber nachzudenken, „wie wir fraktionsübergreifend den Druck auf den Landrat erhöhen können.“Es ist an der Zeit, dass sich der Stadtrat „positioniere“. Zanker solle auf eine Ratssitzung eingeladen werden. Außerdem wolle man noch mal an das Versprechen einer weiteren Bürgerversammlung erinnern.
Einer der Gäste am Dienstag kündigte am Mittwoch gegenüber unserer Zeitung an, dass man in Schlotheim eine „Form der Organisation“finden wolle, „um einem politischen Flächenbrand entgegen zu wirken“.
„Es spricht niemand mehr von Integration; der Zustand ist für beide Seiten eine Zumutung“, hieß es von dem dreifachen Familienvater, der seinen Namen aber noch nicht in der Zeitung lesen möchte.