Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
„Theater bedeutet immer Veränderung, nie Stillstand“
Mit Boris C. Motzki, scheidender Vize-intendant am Eisenacher Landestheater
Eisenach. Zum Ende der Spielzeit endet auch der Vertrag von Boris C. Motzki als Vize-intendant am Landestheater Eisenach. Nach etwas über drei Jahren Dienstzeit verlässt der 38-Jährige wegen der neuen Theaterstruktur die Wartburgstadt. Wir sprachen mit ihm über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.
Herr Motzki, am 31. Juli, haben Sie Ihren letzten Arbeitstag als Vize-intendant am Landestheater, eher mit lachenden oder weinenden Augen?
Als Theatermann natürlich beides. Man weint, weil man hier vieles und viele liebgewonnen hat und man lacht, weil vor einem Neues liegt, ein unbekanntes Terrain, das ist spannend, das gilt es zu durchforsten. Theater bedeutet immer Veränderung, nie Stillstand, und das hält wach.
Versuchen Sie noch einmal zu begründen, warum Ihre Entscheidung, in Eisenach aufzuhören, unausweichlich war?
Ganz einfach: Da das Schauspiel mit Ende der Saison nicht mehr existieren wird, gibt es für mich keinen Grund, hier weiterzumachen. Kinder- und Jugendtheater ist für mich nicht die richtige Form.
Wie fällt Ihre Bilanz der Eisenacher Motzki-zeit aus – künstlerisch und menschlich? Selbst Bilanz zu ziehen, ist ja immer so eine Sache. Eigentlich Der scheidende Vize-intendant Boris C. Motzki. Foto: Privat
müssen das andere machen. Und die machen es ja auch sicherlich. Ich selbst kann nur sagen: Es war für mich eine äußerst beglückende und lehrreiche Zeit. Ich habe das erste Mal in einer Leitungsfunktion gearbeitet, und das auch noch in doppelter Form, sowohl künstlerisch als organisatorisch. Ich konnte hier sechs Inszenierungen machen, neue Reihen kreieren, die großen Erfolg haben, und ein Ensemble zusammenstellen, auf das ich sehr stolz bin. Ebenso sind mir die Mitarbeiter ans Herz gewachsen, deren Engagement, deren Herzblut.
Welche Ihrer eigenen Inszenierungen bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?
Es sind oft die von anderen ungeliebten Kinder, die man am meisten mag: „Liebelei“, meine Schnitzler-interpretation, die zwar nicht viele Zuschauer zog, ist mir meine liebste Inszenierung. Da hat für mich inhaltlich, ästhetisch, darstellerisch alles gestimmt. Da bin ich auch mit Abstand äußerst zufrieden. Und „Ablass“, übrigens noch mal am 5. Juni zu sehen. Dass David Gieselmann, einer der erfolgreichsten deutschen Dramatiker, für uns einen solch irrsinnigen, funkensprühenden Text geschrieben hat, begeistert mich und ich mag unser Ergebnis extrem.
Welche anderen Stücke würden Sie am liebsten mitnehmen, weil Sie davon begeistert waren und sind?
Ganz klar „Alexandra“, das ist unsere erfolgreichste Produktion in meiner Zeit gewesen. Es wird nach drei Jahren immer noch gespielt, wir hatten damit im Winter ein grandioses Gastspiel im Berliner Admiralspalast.
Welche Entwicklung hat das Eisenacher Haus in den vergangenen drei Jahren genommen?
Nun, die Entwicklung ist ja bekannt. Eigentlich insgesamt eine rasante und sehr positive. Aber durch die Strukturreform werden ja die Karten nun neu gemischt.
War Ihre Zeit als Intendant eine erfolgreiche Zeit und woran würden Sie das festmachen?
Ach, auch das sollen andere entscheiden. Natürlich kann ich darauf verweisen, dass wir zweimal die Auslastungszahlen im Schauspiel im zweistelligen Bereich gesteigert haben. Das ist durchaus sehr erfreulich, für Menschen, die sich für Zahlen interessieren. Ich als alter Romantiker halte es da aber eigentlich mit Novalis: Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren sind Schlüssel aller Kreaturen – dann wird es interessant: Denn viel mehr freut mich, dass wir hier zwei Stückaufträge und mehrere Uraufführungen machen konnten, das gab es vorher nicht. Zudem hat uns die überregionale Presse wahrgenommen. Dass Nachtkritik und Die Deutsche Bühne nach uns schauen, das freut einen dann doch sehr. Und nach wie vor sind unsere Reihen etwas, was übrig bleiben wird. Da waren wir ganz nah an den Zuschauern dran und sie an uns. So muss Theater gelebt werden.