Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Thüringer Gütesiegel
Peter Rathay über knurrige Wirte und wählerische Wanderer
Mit der neuen Wanderwegekonzeption will Minister Tiefensee die ausgetretenen Pfade verlassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Statt auf zahlreiche holprige Routen konzentriert man sich in Thüringen zukünftig auf bekannte Klassiker wie etwa den Rennsteig oder den Goethewanderweg. In der Hoffnung, dass die klangvollen Namen mehr Wanderlustige anlocken.
Die Investition könnte sich lohnen. Denn der gemeine Wanderer, so um die 50 plus, erwartet mittlerweile ein Rundum-sorglos-paket. Er will gut ausgeschilderte Wanderwege, rustikale Schutzhütten und am Ende des Tages gehobene Hotellerie, gepaart mit erstklassiger Gastronomie. Er besteht auf Schlecht-wetter-angeboten, Wellness-oase und W-lan bis in den hintersten Winkel seiner Unterkunft.
Am Ende seines Kurzurlaubs richtet er mit einem Internetklick, ob er die Region weiterempfiehlt, wiederkommt – oder seinen nächsten Urlaub im Schwarzwald bucht.
Angesichts einer solchen Klientel erscheint es um so fahrlässiger, dass zahlreiche Thüringer Quartiere noch den Charme der frühen Neunziger verströmen. So manches Bett ist wackelig, vergilbte Gardinen sind keine Seltenheit und nicht wenige Wirte sind knurrig wie zu Zeiten, als am Eingang das Schild prangte: Sie werden platziert.
„Die Gegend ist herrlich“, schwärmte einst Goethe über den Thüringer Wald. Doch wenn es im hier und heute an Freundlichkeit, Qualität und Service fehlt, dann hilft auch kein top gepflegtes Wanderwegenetz. Dann ist das Gütesiegel „Thüringer Gastlichkeit“nur ein leeres Versprechen.