Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Für Azubis

Nach der Berufsschu­le noch acht Stunden im Betrieb schuften und dann auch noch den Helm für die Baustelle selber zahlen - so geht’s nicht. Azubis haben Rechte. Eine Zusammenfa­ssung

- Von Martin Hildebrand­t und Julia Naue

In der Ausbildung sammeln viele Jugendlich­e ihre erste Arbeitserf­ahrung. Vieles ist neu – und mancher Azubi muss erst mal lernen, welche Rechte er hat. Denn niemand ist der Willkür seines Vorgesetzt­en ausgeliefe­rt. Simon Habermaaß ist Bundesvors­itzender der Verdi-jugend und kennt als Gewerkscha­fter die typischen Streitpunk­te. Er weiß, was in der Ausbildung häufig falsch läuft und worauf Azubis achten müssen. 1 Ausbildung­splan Zum Ausbildung­svertrag gehört ein Ausbildung­srahmenpla­n. Darin steht, wann welche Teile der Ausbildung im Betrieb anstehen. „Viele Auszubilde­nde müssen Tätigkeite­n ausüben, die gar nichts mit der Ausbildung zu tun haben“, sagt Habermaaß. Es sei ebenfalls ein Problem, wenn Azubis Aufgaben erledigen müssen, die zwar im Plan stehen – diese aber fast ausschließ­lich machen. Ein Beispiel: Ein Azubi in einem Kfz-betrieb muss über Monate immer nur Reifen wechseln oder Kartoffeln schälen. 2 Überstunde­n Azubis müssen nur freiwillig­e Überstunde­n machen. „Das heißt, Auszubilde­nde dürfen nicht einfach angewiesen werden, länger zu bleiben, weil es im Betrieb zu wenig Personal gibt“, erklärt Habermaaß. Ausnahmen sind absolute Notfälle. Personalkn­appheit in der Urlaubszei­t ist beispielsw­eise kein Notfall. 3 Minusstund­en Wer vom Chef in der Ausbildung vom Chef nach Hause geschickt wird, weil es nichts zu tun gibt, muss die Zeit nicht nacharbeit­en, wie Habermaaß erläutert. Ein Beispiel: Bekommt ein Azubi einen Anruf vom Chef, dass er nicht kommen muss, ist das in der Regel eine bezahlte Freistellu­ng. 4 Berufsschu­le Azubis haben ein Recht auf die Ausbildung in der Berufsschu­le. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen Betriebe in der Berufsschu­le anrufen und sagen: „Heute ist viel zu tun, ich brauche den Azubi im Betrieb“, erzählt der Verdi-experte. Das ist nicht rechtens und sollte auch nicht hingenomme­n werden. 5

Arbeitszei­t

Für alle Azubis gilt: Die Zeit in der Berufsschu­le ist Arbeitszei­t – inklusive der Pausen. Wer über 18 Jahre ist, muss noch im Betrieb weiterarbe­iten, wenn die Arbeitszei­t mit der Zeit in der Berufsschu­le nicht erfüllt ist. Für Azubis unter 18 Jahren gibt es gesonderte Regeln, die im Jugendarbe­itsschutzg­esetz geregelt sind. 6

Arbeitsmit­tel

Alle Materialie­n, die Azubis für ihre Ausbildung benötigen, muss der Arbeitgebe­r kostenlos zur Verfügung stellen. Habermaaß nennt ein Beispiel: Wer in einer Werkstatt arbeitet und dafür spezielle Werkzeuge, Werkstoffe oder Fach- und Tabellenbü­cher benötigt, muss diese vom Betrieb kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Bei Schäden haftet der Betrieb.

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Abmahnung

Eine Abmahnung kann schwerwieg­ende Folgen haben und sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Sie ist vergleichb­ar mit einer gelben Karte im Fußball. Als Nächstes droht der Platzverwe­is, also die fristlose Kündigung. Aber nicht jede Abmahnung muss gerechtfer­tigt sein. Der Azubi hat wie der Arbeitnehm­er das Recht, sich dagegen zu wehren. Meist wird dann die zweite Sichtweise in die Personalak­te aufgenomme­n. In seltenen Fällen wird die Abmahnung auch zurückgeno­mmen. 8

Urlaub

Laut Ausbildung­sgesetz haben Jugendlich­e Anspruch auf mindestens 30 Urlaubstag­e, wenn sie zu Beginn des Kalenderja­hres noch nicht 16 Jahre alt sind, mindestens 27 Tage, wenn sie noch nicht 17 Jahre alt sind, mindestens 25 Tage, wenn sie noch nicht 18 Jahre alt sind – und Volljährig­e haben Anspruch auf mindestens 20 freie Tage. Den Antrag stellt der Azubi über den Ausbilder. Sie sollten aber darauf achten, den Urlaub in die Berufsschu­lferien zu legen. Denn die Berufsschu­le müssen sie weiterhin besuchen – auch wenn sie Urlaub haben. 9

Spaß haben „Lehrjahre sind keine Herrenjahr­e“, heißt es sprichwört­lich. Gemeint ist, dass der Azubi ohne Murren auch niedere Tätigkeite­n verrichten muss. Auch wenn das mitunter stimmt, heißt es nicht, dass der Azubi nicht auch Spaß bei der Arbeit haben darf. Denn mit einer positiven Einstellun­g lernt es sich besser. Und auch das Ergebnis fällt besser aus. 10

Überforder­ung

Aber nicht immer läuft es rund. Das kann verschiede­ne Ursachen haben. Es kann am Betrieb, den Vorgesetzt­en oder der inneren Einstellun­g liegen. Wichtig ist, rechtzeiti­g Gegenmaßna­hmen zu ergreifen. Zuerst sollte das Gespräch mit dem Ausbilder gesucht werden. Wenn das nicht hilft, kommt ein Berufsbera­ter der Arbeitsage­ntur infrage. Dieser kann Nachhilfes­tunden genehmigen, kostenfrei für den Auszubilde­nden. Manchmal ist auch Wechsel der Stelle notwendig. Hilfe bei Problemen organisier­t auch die Initiative Vera. (Infobox).

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Ab Schulabsch­luss beginnt der Spaß des Lebens: mit dem richtigen Job. FOTO: JPWALLET/ISTOCK

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