Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
„Der wahrscheinlich größte Jazzmusiker Deutschlands“
Damit meint Trompeter Till Brönner in Meiningen nicht sich, sondern Bach. Mit Bassist Dieter Ilg gibt er ein cooles Sommerkonzert
Meiningen. Standards aus der hohen Zeit des Jazz: „Nobody Else But Me“oder „Body and Soul“. Na klar doch. Natürlich auch „Au Privave“von Charly „Bird“Parker, dessen Musik den jungen Till Brönner einst elektrisierte – und sogar erotisierte.
Aber dann auch das: Paul Mccartneys Beat(les)-song „Eleanor Rigby“, der Bossa Nova „Café com pão“von João Donato oder gar „Es, es, es und es“, ein Frankfurter Gesellenlied.
All that Jazz – wenn sich Brönners Trompete oder auch Flügelhorn sehr direkt dem Kontrabass von Dieter Ilg zuwendet, ohne dass sich dieses Duo vom Publikum abwenden würde.
Es ist konzertanter, es ist cooler Jazz, den die „Fußgängerzonenband“(Brönner) am Samstag ins lauschige Ambiente der Meininger Elisabethenburg hinein entwickelt, wo die Leute hingebungsvoll lauschen. „Es ist schön, hier zu spielen“, sagt Brönner moderierend in diesem Schlosshof, der Thüringens schönster ist und auch zum ungewöhnlichen Jazzclub taugt. Die natürliche Akustik, von der Brönner schwärmt, ist tatsächlich beeindruckend – der Insektenschwarm, den es ins Bühnenlicht zieht, auch. Ein Exemplar fliegt Brönner in den Mund, als er bei Donato das einzige Mal auch singt.
Entspannt, gelassen, wohltemperiert findet das Duo zu filigranen Läufen, auch zu frechen bis rotzigen Phrasierungen: unaufgeregt, aber doch innerlich aufregend. Das hat so gar nichts Gefälliges, das verbindet professionelles Spiel mit kühner Verspieltheit. „Endlich kein Klavier, keine Gitarre“, sagt Brönner. Dafür nutzt er dosiert Effektgeräte. „Was Sie heute Abend vermissen werden, sind Harmonien. In fünf Minuten haben Sie aber vergessen, dass Sie sie vermissen.“So kommt’s dann auch.
Er versteht sich als Dach, Ilg als Keller in dem, was man „House of Jazz“nennen könnte. Ein solches will Brönner ja unbedingt in und für Berlin; andernfalls kann er sich aber auch Weimar dafür vorstellen. Doch in diesem abendlichen Konzerthaus aus Tönen wird derweil zwischen Keller und Dach ordentlich was raus-, rein- und umgeräumt, mit allen Mitteln der Improvisation, auch in Brönners eigenen Stücken: „Will of Nature“oder „A Distant Episode“.
Am Ende eines zweimal einstündigen Abends, als Zugabe, dann das Air aus Bachs dritter Orchestersuite: ohne Zuckerguss, mit viel Pfeffer und einer salzigen Träne im Flügelhorn.
An Bachs Orgelimprovisationen denkend, nennt Brönner ihn den „wahrscheinlich größten Jazzmusiker Deutschlands“. Wenn sich das herumspricht, wird man das Jazzduo wohl demnächst bei den Thüringer Bachwochen wiederhören.