Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

„Der wahrschein­lich größte Jazzmusike­r Deutschlan­ds“

Damit meint Trompeter Till Brönner in Meiningen nicht sich, sondern Bach. Mit Bassist Dieter Ilg gibt er ein cooles Sommerkonz­ert

- Von Michael Helbing

Meiningen. Standards aus der hohen Zeit des Jazz: „Nobody Else But Me“oder „Body and Soul“. Na klar doch. Natürlich auch „Au Privave“von Charly „Bird“Parker, dessen Musik den jungen Till Brönner einst elektrisie­rte – und sogar erotisiert­e.

Aber dann auch das: Paul Mccartneys Beat(les)-song „Eleanor Rigby“, der Bossa Nova „Café com pão“von João Donato oder gar „Es, es, es und es“, ein Frankfurte­r Gesellenli­ed.

All that Jazz – wenn sich Brönners Trompete oder auch Flügelhorn sehr direkt dem Kontrabass von Dieter Ilg zuwendet, ohne dass sich dieses Duo vom Publikum abwenden würde.

Es ist konzertant­er, es ist cooler Jazz, den die „Fußgängerz­onenband“(Brönner) am Samstag ins lauschige Ambiente der Meininger Elisabethe­nburg hinein entwickelt, wo die Leute hingebungs­voll lauschen. „Es ist schön, hier zu spielen“, sagt Brönner moderieren­d in diesem Schlosshof, der Thüringens schönster ist und auch zum ungewöhnli­chen Jazzclub taugt. Die natürliche Akustik, von der Brönner schwärmt, ist tatsächlic­h beeindruck­end – der Insektensc­hwarm, den es ins Bühnenlich­t zieht, auch. Ein Exemplar fliegt Brönner in den Mund, als er bei Donato das einzige Mal auch singt.

Entspannt, gelassen, wohltemper­iert findet das Duo zu filigranen Läufen, auch zu frechen bis rotzigen Phrasierun­gen: unaufgereg­t, aber doch innerlich aufregend. Das hat so gar nichts Gefälliges, das verbindet profession­elles Spiel mit kühner Verspielth­eit. „Endlich kein Klavier, keine Gitarre“, sagt Brönner. Dafür nutzt er dosiert Effektgerä­te. „Was Sie heute Abend vermissen werden, sind Harmonien. In fünf Minuten haben Sie aber vergessen, dass Sie sie vermissen.“So kommt’s dann auch.

Er versteht sich als Dach, Ilg als Keller in dem, was man „House of Jazz“nennen könnte. Ein solches will Brönner ja unbedingt in und für Berlin; andernfall­s kann er sich aber auch Weimar dafür vorstellen. Doch in diesem abendliche­n Konzerthau­s aus Tönen wird derweil zwischen Keller und Dach ordentlich was raus-, rein- und umgeräumt, mit allen Mitteln der Improvisat­ion, auch in Brönners eigenen Stücken: „Will of Nature“oder „A Distant Episode“.

Am Ende eines zweimal einstündig­en Abends, als Zugabe, dann das Air aus Bachs dritter Orchesters­uite: ohne Zuckerguss, mit viel Pfeffer und einer salzigen Träne im Flügelhorn.

An Bachs Orgelimpro­visationen denkend, nennt Brönner ihn den „wahrschein­lich größten Jazzmusike­r Deutschlan­ds“. Wenn sich das herumspric­ht, wird man das Jazzduo wohl demnächst bei den Thüringer Bachwochen wiederhöre­n.

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Till Brönner, hier  in Berlin. Archiv-foto: Michael Hanschke

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