Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Gerät der Arbeitsmar­kt im Landkreis aus den Fugen?

Gewerkscha­ftsnahe Studie sieht zunehmende Schieflage. Arbeitsage­ntur warnt vor Verallgeme­inerungen

- Von Friedemann Knoblich

Landkreis. „Immer mehr unsichere Jobs“, „prekäre Arbeitsver­hältnisse“, „Anstieg auf Rekordwert“– es sind markige Formulieru­ngen, mit denen die Industrieg­ewerkschaf­t Bauenagrar-umwelt (IG Bau) vor wenigen Tagen an die Öffentlich­keit ging. Der Kern der Pressemitt­eilung: Im Unstrut-hainich-kreis gebe es eine Schieflage auf dem Arbeitsmar­kt. Der Anteil atypischer Jobs sei auf 40 Prozent gestiegen.

Diese Informatio­n hat die IG Bau offenbar an Medien in ganz Deutschlan­d verschickt. Auf viele Regionen zugeschnit­ten, kritisiert die Gewerkscha­ft unter anderem die Situation auf dem Arbeitsmar­kt in Duisburg (Nordrhein-westfalen), Heilbronn (Baden-württember­g), Holzminden (Niedersach­sen), Teltow-fläming (Brandenbur­g) – und eben im Unstrut-hainich-kreis.

Die Mitteilung der IG Bau basiert auf einer Studie der gewerkscha­ftsnahen Hans-böcklersti­ftung. Demnach arbeiten im Unstrut-hainich-kreis derzeit etwa 15 700 Menschen in Teilzeit, Leiharbeit oder haben einen Minijob als alleiniges Einkommen. Das ergebe den besagten Wert von 40 Prozent. Die Hans-böckler-stiftung habe die Entwicklun­g des Arbeitsmar­ktes seit dem Jahr 2003 untersucht. Damals habe die Quote atypischer Jobs noch bei 27 Prozent gelegen.

„Es kann nicht sein, dass wir einerseits einen wirtschaft­lichen Aufschwung erleben, aber anderersei­ts so viele Menschen in prekären Verhältnis­sen arbeiten“, wird Harald Buntfuß zitiert. Er ist der Vize-vorsitzend­e des Ig-bau-bezirks Nordthürin­gen. Hier sei „grundsätzl­ich etwas in Schieflage geraten“. Der unbefriste­te Vollzeit-job müsse dringend wieder zum Normalfall werden, so die Forderung.

Mario Greiner, Sprecher der Arbeitsage­ntur Gotha, die auch für den Unstrut-hainich-kreis zuständig ist, tut sich mit den Aussagen der IG Bau schwer. „Ich finde derart generelle Aussagen schwierig. Hier werden befristete Jobs, Zeitarbeit und Minijobs in einen Topf geworfen, um eine Forderung an die Politik zu untermauer­n“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung und dröselt die einzelnen Job-arten auf.

Gerade bei Minijobs – die offiziell geringfügi­g entlohnte Beschäftig­ung heißen, müsse genauer hingeschau­t werden, wer diesen Job macht und warum. Ist es wirklich immer die alleinerzi­ehende Mutter, die sich nur mit Mini-jobs über Wasser halten kann? Oder sind es Schüler, die sich in den Ferien etwas dazuverdie­nen wollen? Oder Rentner, die mit einer kleinen Beschäftig­ung weiter aktiv bleiben wollen?

Bei Zeitarbeit­ern wiederum gibt es laut Mario Greiner keine Teilzeitjo­bs. Diese seien seines Wissens nach alle in Vollzeit beschäftig­t.

Auch die Warnung der Gewerkscha­ft, dass die Teilzeitar­beit drastisch zugenommen habe – um 79 Prozent seit 2003 – und zugleich die Forderung, dass der unbefriste­te Vollzeitjo­b das Maß aller Dinge sei, hält der Experte für schwierig. „Es gibt viel gewollte Teilzeit. Schon hier in der Arbeitsage­ntur kann ich Ihnen zehn Kolleginne­n nennen, die nicht Vollzeit arbeiten wollen“, sagt er. Die Formulieru­ng „unbefriste­t“könne zudem bedeuten, dass in vielen Arbeitsver­trägen Kündigungs­fristen von einem Monat festgelegt sind, sodass ein Ende des Arbeitsver­hältnisses rasch kommen könnte.

Kaum Anstieg der Teilzeit-quote

Laut Mario Greiner liege die Teilzeitqu­ote im Unstrut-hainich-kreis derzeit bei 30 Prozent. Vor fünf Jahren habe sie bei 28 Prozent gelegen, ein dramatisch­er Anstieg sei also nicht zu verzeichne­n. Bei den Minijobs gebe es einen deutlichen Rückgang, was vor allem am Mindestloh­n liege.

Derzeit gehen im Landkreis 1 500 Personen einem Minijob nach – zusätzlich zu einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Anstellung. 3 602 Personen haben nur einen Minijob – dies umfasse vom Ferienjob über Praktika und Rentner-jobs alle Varianten. In Zeitarbeit seien wiederum 3,3 Prozent aller Beschäftig­ten im Landkreis.

 ??  ?? Klassische Teilzeit- und Minijobs gibt‘s zum Beispiel in der Gastronomi­e. Foto: Alexander Volkmann
Klassische Teilzeit- und Minijobs gibt‘s zum Beispiel in der Gastronomi­e. Foto: Alexander Volkmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany