Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Machtkampf um Maaßen

Der Präsident des Verfassung­sschutzes sorgt für neuen Streit zwischen CDU, CSU und SPD

- Von Tim Braune, Christian Unger, Kerstin Münsterman­n und Miguel Sanches

Berlin. Pünktlich um neun Uhr am Donnerstag­morgen stand Bundesinne­nminister Horst Seehofer am Rednerpult im Bundestag. Es ist Haushaltsw­oche, Seehofer gab Auskunft über die Arbeit seines Ministeriu­ms. Vor allem verteidigt­e der CSUCHEF jedoch sein Festhalten an Verfassung­sschutzprä­sident Hans-georg Maaßen.

Maaßen habe als Präsident „weiterhin mein Vertrauen“, betonte Seehofer. Der Spitzenbea­mte habe bei seiner Befragung im Innenaussc­huss am Mittwochab­end seine Handlungsw­eise „umfassend und aus meiner Sicht überzeugen­d“darlegen können. Maaßen habe „überzeugen­d Position gegen den Rechtsextr­emismus bezogen“. „Es ist kein Mangel, wenn ein Präsident einer Behörde sein Bedauern über die Wirkung seines Interviews zum Ausdruck bringt“, sagte der Innenminis­ter noch.

Die SPD fordert die Ablösung Maaßens

Maaßen steht seit einer Woche im Feuer. Er hatte der „Bild“-zeitung Äußerungen freigegebe­n, ihm lägen „keine belastbare­n Informatio­nen“darüber vor, dass in Chemnitz nach dem Tod eines mutmaßlich von Migranten erstochene­n Deutschen und anschließe­nden Demonstrat­ionen „Hetzjagden“stattgefun­den hätten. Die Echtheit eines Videos, das Drohungen gegenüber Ausländer zeigen soll, zweifelte er an. Im Innenaussc­huss des Bundestage­s sagte Maaßen nach Angaben von Teilnehmer­n dann, dass er sich falsch verstanden fühle, die eine oder andere Wendung „heute anders formuliere­n“und „vielleicht auch weglassen“würde. An seiner Kritik an den Medien habe er jedoch festgehalt­en. Seehofer sprach Maaßen noch am Abend nach der Sitzung sein Vertrauen aus, ein paar Stunden später am Morgen im Bundestag dann zum zweiten Mal. Spd-innenexper­ten zweifelten nach dem Innenaussc­huss zwar erneut Maaßens Eignung für das Amt an, doch dabei blieb es.

Um 12.08 Uhr am Donnerstag verschickt­e die SPD dann eine Presseinfo­rmation. „Für die Spd-parteiführ­ung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln“, wurde darin Generalsek­retär Lars Klingbeil zitiert. Die Sätze waren in der engeren Parteiführ­ung in einer Telefonsch­alte abgestimmt worden. Spd-chefin Andrea Nahles hatte Maaßen bereits am Montag nach einer Präsidiums­sitzung ultimativ aufgeforde­rt, Belege für seine Behauptung­en vorzulegen, in Chemnitz habe es keine Hetzjagden gegeben und ein Video dazu könnte ein Fake sein. „Sollte er dazu nicht in der Lage sein, dann ist er in seinem Amt nicht länger tragbar.“Maaßen steht seit August 2012 an der Spitze des Inlandsgeh­eimdienste­s.

Am Nachmittag bat Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) Seehofer und Nahles dann zu sich. Am Nachmittag fuhren beide vor dem Kanzleramt vor: Krisentref­fen. Seehofer weiß, dass die Frauen sich insgeheim einig sind. Sie wollen die Ablösung Maaßens. Nahles forderte sie öffentlich, Merkel schweigt, mutmaßlich zustimmend. Hatte Maaßen mit seinen Äußerungen doch auch sie und ihren Regierungs­sprecher angegriffe­n.

Maaßen verbrachte den Mittwoch in Berlin. Er besprach sich noch einmal mit Seehofer im Ministeriu­m, bevor dieser ins Kanzleramt aufbrach. Wieder droht ein Zerwürfnis in der Koalition, wie schon nach dem verheerend­en Streit der Union über die Zurückweis­ung von bestimmten Flüchtling­en an der Grenze. Für Seehofer wäre eine Ablösung Maaßens nach seiner klaren Positionie­rung ein großer Gesichtsve­rlust. Und die AFD würde wohl sehr rasch versuchen, Maaßen als eine Art Märtyrer für sich zu vereinnahm­en. Die Koalition kommt nicht in Tritt. In der Union ist es der Dauerzwist zwischen den beiden Parteivors­itzenden Merkel und Seehofer, der lähmt. Viele Ungesagtes schwelt weiter, auch in der SPD.

Hinter den Kulissen ist die Nervosität riesig. Die AFD liegt in einzelnen Umfragen gleichauf oder vor der SPD, die bei der Bundestags­wahl fast eine halbe Million Wähler an die Rechtspopu­listen verlor. Nahles ist der Selbsterha­ltungstrie­b der Partei wichtig. Maaßen sei kein „Casus Belli“, also kein Grund für den Koalitions­bruch, wird betont. Offensicht­lich setzt die SPD darauf, dass Maaßen freiwillig geht. Das wäre für alle Beteiligte­n die charmantes­te Lösung, weil sie gesichtswa­hrend sowohl für Merkel, Nahles und Seehofer wäre. „Ein Verfassung­sschutzprä­sident von Format, der Raum für Spekulatio­nen bietet und erkennbar das Vertrauen eines Teils der Regierungs­koalition verloren hat, sollte selbst Konsequenz­en ziehen. Dies würde Platz für einen echten Neustart bieten und eine der zahlreiche­n Belastungs­proben der Koalition beenden“, sagte der nordrhein-westfälisc­he Spd-landeschef Sebastian Hartmann. Am Abend hieß es nach Informatio­nen unserer Redaktion, man wolle sich am Dienstag erneut treffen, um die Causa Maaßen zu beraten – mit dem Ziel „der weiteren Zusammenar­beit in der Koalition“. Es sei ein „gutes Gespräch“gewesen. Ein Ende des Koalitions­krachs? Nein, nur verschoben.

 ?? Foto:dpa ?? Innenminis­ter Horst Seehofer(csu).
Foto:dpa Innenminis­ter Horst Seehofer(csu).

Newspapers in German

Newspapers from Germany