Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

„Dialog, Dialog, Dialog!“

Ralf-uwe Beck vom Verein „Mehr Demokratie“sieht das Bürgerbege­hren als Notfallins­trument an und schlägt einen Bürgerhaus­halt für Schlotheim vor

- Von Alexander Volkmann

Marolterod­e. Es ist ein steiniger und langer Weg mit der direkten Demokratie. Aber die Möglichkei­ten, Bürgerinne­n und Bürgern politische Macht in die Hand zu geben, sind da – und in Thüringen besser als in allen anderen Bundesländ­ern Deutschlan­ds. Das ist das Fazit nach dem einstündig­en Vortrag von Ralfuwe Beck. Der Sprecher des Vereins „Mehr Demokratie“war am Mittwochab­end auf Einladung des Bürgerbünd­nisses Schlotheim/obermehler (BSO) nach Marolterod­e gekommen.

Seit vielen Jahren engagiert sich „Mehr Demokratie“erfolgreic­h dafür, die Hürden für Volks- und Bürgerbege­hren, wie sie auf kommunaler Ebenen heißen, zu senken und wirbt dafür, sich politisch zu engagieren.

Das wollen die Mitglieder des Bürgerbünd­nisses, sehen sich aber als „Störenfrie­de“wahrgenomm­en, wie Vorsitzend­er Stephan Isenhuth sagt. Ende 2015 war die Initiative entstanden, als die Gemeinscha­ftsunterku­nft für Flüchtling­e in Obermehler eingericht­et wurde und die Bewohnerza­hlen in wenigen Wochen von anfangs 270 auf etwa 1000 anstiegen.

Unter anderem mit einer Unterschri­ftenaktion hatte das BSO die dezentrale Unterbring­ung der Flüchtling­e gefordert. Das Bündnis mit derzeit 24 Mitglieder­n sieht sich im Kampf gegen Windmühlen – auch bei anderen Themen. Deshalb sei es sinnvoll, sich über Beteiligun­gsmöglichk­eiten zu informiere­n, so Isenhuth. Vor allem der Initiative des Vereins „Mehr Demokratie“ ist es zu verdanken, dass Thüringen eines der besten Regelwerke für direkte Demokratie hat. „Aber leider weiß es keiner“, sagt Ralf-uwe Beck. Die Hürden für Bürgerbege­hren seien weniger hoch als anderswo. Zu allererst aber müssten alle anderen Möglichkei­ten ausgeschöp­ft werden. „Dialog, Dialog, Dialog!“, appelliert Beck. „Geht zu Gemeinde- und Stadtratss­itzungen, nutzt Bürgerspre­chstunden!“Denn öffentlich­e Sitzungen seien ein Indikator für die Bereitscha­ft der Bürger, sich zu beteiligen.

Dem pflichtet der Schlotheim­er Stadtrat Sebastian Wäldrich (CDU) bei. Er wünsche sich, dass mehr Gäste die Ratssitzun­gen besuchen. Das Bürgerbege­hren ist ein Notfallins­trument, meint Beck. Und es ist auch ein Druckmitte­l für die Politik, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Der Bürger könne Berater sein, nennt Beck beispielsw­eise Planfestst­ellungsver­fahren. „Jeder Einwand ist hilfreich“, sagt er. Sich Einwände anzuhören, habe mit gegenseiti­gem Respekt zu tun. Ob Entscheidu­ngsträger das wollen, sei eine Frage der politische­n Kultur.

Denn es gibt auch einen Wermutstro­pfen: Es gibt kein Recht darauf, Einwände von Bürgern in die Entscheidu­ngen einzubezie­hen. Das ist in vielen Fällen auch Becks Erleben. Dann komme die direkte Demokratie ins Spiel: Bürgerbege­hren, die in Bürgerents­cheiden münden. Seit der Änderung der Thüringer Kommunalor­dnung 2008 habe sich die Zahl der Bürgerbege­hren in Thüringen auf 12 bis 15 pro Jahr verdoppelt. Etwa ein Viertel wird für unzulässig erklärt. Damit ein Bürgerbege­hren zustande kommt, müssen sieben Prozent der Stimmberec­htigten einer Kommune unterschre­iben, maximal 7 000. Die Frist für die Sammlung beträgt vier Monate. Unterstütz­en genügend Bürger das Begehren, übernimmt der Gemeindera­t den Antrag – wenn nicht, kommt es zum Bürgerents­cheid. Das ist etwa sechs Mal pro Jahr in Thüringen der Fall, weiß Beck.

Er warb für einen Versuch von direkter Demokratie in Schlotheim. Angesichts der von einigen Gästen am Abend beschriebe­nen strapazier­ten Kassenlage und großem Unmut über finanziell­e Entscheidu­ngen der vergangene­n Jahre, regte er einen sogenannte­n Bürgerhaus­halt an. Die Bevölkerun­g wird dabei in die Planung von Teilen öffentlich­er Ausgaben einbezogen – nicht die Verwaltung plant und der Stadtrat entscheide­t. In Thüringen gibt es Bürgerhaus­halte in fünf Städten, unter anderem in Erfurt, Weimar, Ilmenau und Großbreite­nbach.

„Man sollte ein Projekt finden, wo beide Seiten zusammen kommen“, so Beck vor den knapp 40 Gästen. Ob das gelingen kann, ist offen. Denn „die Karre ist in Schlotheim sehr tief im Dreck“, sagt Jens Kunze, stellvertr­etender Vorsitzend­er des BSO. Allerdings hat das Bündnis eine Chance vertan, sich einzumisch­en. Das BSO schickt zur Bürgermeis­terwahl in Schlotheim am 30. September keinen eigenen Kandidaten ins Rennen. Die berufliche­n und familiären Verpflicht­ungen ließen es den Mitglieder­n derzeit nicht zu, dieses verantwort­ungsvolle Amt angemessen auszufülle­n, heißt es als Begründung.

Einziger Kandidat ist derzeit Amtsinhabe­r Hans-joachim Roth (CDU). Kunze erklärte, man werde mit dem neuen Bürgermeis­ter zusammenar­beiten müssen. Es gehe um die Zukunft der Region. Die Verbesseru­ng der Situation an der Schlotheim­er Grundschul­e, mit Lehrermang­el und Investitio­nsstau, sowie der Kampf gegen eine Reifenverw­ertungsanl­age in Obermehler stehen auf der Agenda. Auch die Gemeinscha­ftsunterku­nft bleibt weiterhin Thema.

Bürgerbünd­nis stellt keinen Kandidaten

Mehr Infos online unter: mehr-demokratie.de

 ??  ?? Ralf-uwe Beck, Pfarrer und Bundesspre­cher des Vereins „Mehr Demokratie“sprach am Mittwoch auf Einladung des Bürgerbünd­nisses Schlotheim/obermehler in Marolterod­e. Foto: Alexander Volkmann
Ralf-uwe Beck, Pfarrer und Bundesspre­cher des Vereins „Mehr Demokratie“sprach am Mittwoch auf Einladung des Bürgerbünd­nisses Schlotheim/obermehler in Marolterod­e. Foto: Alexander Volkmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany