Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
„Dialog, Dialog, Dialog!“
Ralf-uwe Beck vom Verein „Mehr Demokratie“sieht das Bürgerbegehren als Notfallinstrument an und schlägt einen Bürgerhaushalt für Schlotheim vor
Marolterode. Es ist ein steiniger und langer Weg mit der direkten Demokratie. Aber die Möglichkeiten, Bürgerinnen und Bürgern politische Macht in die Hand zu geben, sind da – und in Thüringen besser als in allen anderen Bundesländern Deutschlands. Das ist das Fazit nach dem einstündigen Vortrag von Ralfuwe Beck. Der Sprecher des Vereins „Mehr Demokratie“war am Mittwochabend auf Einladung des Bürgerbündnisses Schlotheim/obermehler (BSO) nach Marolterode gekommen.
Seit vielen Jahren engagiert sich „Mehr Demokratie“erfolgreich dafür, die Hürden für Volks- und Bürgerbegehren, wie sie auf kommunaler Ebenen heißen, zu senken und wirbt dafür, sich politisch zu engagieren.
Das wollen die Mitglieder des Bürgerbündnisses, sehen sich aber als „Störenfriede“wahrgenommen, wie Vorsitzender Stephan Isenhuth sagt. Ende 2015 war die Initiative entstanden, als die Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Obermehler eingerichtet wurde und die Bewohnerzahlen in wenigen Wochen von anfangs 270 auf etwa 1000 anstiegen.
Unter anderem mit einer Unterschriftenaktion hatte das BSO die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge gefordert. Das Bündnis mit derzeit 24 Mitgliedern sieht sich im Kampf gegen Windmühlen – auch bei anderen Themen. Deshalb sei es sinnvoll, sich über Beteiligungsmöglichkeiten zu informieren, so Isenhuth. Vor allem der Initiative des Vereins „Mehr Demokratie“ ist es zu verdanken, dass Thüringen eines der besten Regelwerke für direkte Demokratie hat. „Aber leider weiß es keiner“, sagt Ralf-uwe Beck. Die Hürden für Bürgerbegehren seien weniger hoch als anderswo. Zu allererst aber müssten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. „Dialog, Dialog, Dialog!“, appelliert Beck. „Geht zu Gemeinde- und Stadtratssitzungen, nutzt Bürgersprechstunden!“Denn öffentliche Sitzungen seien ein Indikator für die Bereitschaft der Bürger, sich zu beteiligen.
Dem pflichtet der Schlotheimer Stadtrat Sebastian Wäldrich (CDU) bei. Er wünsche sich, dass mehr Gäste die Ratssitzungen besuchen. Das Bürgerbegehren ist ein Notfallinstrument, meint Beck. Und es ist auch ein Druckmittel für die Politik, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Der Bürger könne Berater sein, nennt Beck beispielsweise Planfeststellungsverfahren. „Jeder Einwand ist hilfreich“, sagt er. Sich Einwände anzuhören, habe mit gegenseitigem Respekt zu tun. Ob Entscheidungsträger das wollen, sei eine Frage der politischen Kultur.
Denn es gibt auch einen Wermutstropfen: Es gibt kein Recht darauf, Einwände von Bürgern in die Entscheidungen einzubeziehen. Das ist in vielen Fällen auch Becks Erleben. Dann komme die direkte Demokratie ins Spiel: Bürgerbegehren, die in Bürgerentscheiden münden. Seit der Änderung der Thüringer Kommunalordnung 2008 habe sich die Zahl der Bürgerbegehren in Thüringen auf 12 bis 15 pro Jahr verdoppelt. Etwa ein Viertel wird für unzulässig erklärt. Damit ein Bürgerbegehren zustande kommt, müssen sieben Prozent der Stimmberechtigten einer Kommune unterschreiben, maximal 7 000. Die Frist für die Sammlung beträgt vier Monate. Unterstützen genügend Bürger das Begehren, übernimmt der Gemeinderat den Antrag – wenn nicht, kommt es zum Bürgerentscheid. Das ist etwa sechs Mal pro Jahr in Thüringen der Fall, weiß Beck.
Er warb für einen Versuch von direkter Demokratie in Schlotheim. Angesichts der von einigen Gästen am Abend beschriebenen strapazierten Kassenlage und großem Unmut über finanzielle Entscheidungen der vergangenen Jahre, regte er einen sogenannten Bürgerhaushalt an. Die Bevölkerung wird dabei in die Planung von Teilen öffentlicher Ausgaben einbezogen – nicht die Verwaltung plant und der Stadtrat entscheidet. In Thüringen gibt es Bürgerhaushalte in fünf Städten, unter anderem in Erfurt, Weimar, Ilmenau und Großbreitenbach.
„Man sollte ein Projekt finden, wo beide Seiten zusammen kommen“, so Beck vor den knapp 40 Gästen. Ob das gelingen kann, ist offen. Denn „die Karre ist in Schlotheim sehr tief im Dreck“, sagt Jens Kunze, stellvertretender Vorsitzender des BSO. Allerdings hat das Bündnis eine Chance vertan, sich einzumischen. Das BSO schickt zur Bürgermeisterwahl in Schlotheim am 30. September keinen eigenen Kandidaten ins Rennen. Die beruflichen und familiären Verpflichtungen ließen es den Mitgliedern derzeit nicht zu, dieses verantwortungsvolle Amt angemessen auszufüllen, heißt es als Begründung.
Einziger Kandidat ist derzeit Amtsinhaber Hans-joachim Roth (CDU). Kunze erklärte, man werde mit dem neuen Bürgermeister zusammenarbeiten müssen. Es gehe um die Zukunft der Region. Die Verbesserung der Situation an der Schlotheimer Grundschule, mit Lehrermangel und Investitionsstau, sowie der Kampf gegen eine Reifenverwertungsanlage in Obermehler stehen auf der Agenda. Auch die Gemeinschaftsunterkunft bleibt weiterhin Thema.
Bürgerbündnis stellt keinen Kandidaten
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Mehr Infos online unter: mehr-demokratie.de