Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

„Kultur öffnet die Herzen der Menschen“

Landtagspr­äsident Christian Carius und Theater-intendant Guy Montavon über ihre Eindrücke vom Besuch in Shanghai

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Shanghai. Im Doppelpack nach China: Während Generalint­endant Guy Montavon mit dem Theater Erfurt in Shanghai gastierte, besuchte Thüringens Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU) die Region mit einer Wirtschaft­sdelegatio­n. Die TA traf beide zum Gespräch

Herr Montavon, wie lief die Aufführung des „Fliegenden Holländers“in der Shanghaier Oper? Sind Sie zufrieden?

Die Aufführung lief sehr, sehr gut und ich muss ein Kompliment hier an unsere Mannschaft machen, denn wir haben es geschafft, in kürzesten Zeit eine perfekte Vorstellun­g vom Fliegenden Holländer dem chinesisch­en Publikum anzubieten. Ich bin im höchsten Maße zufrieden und auch sehr stolz.

Wo lagen die größten Herausford­erungen bei der Inszenieru­ng?

Die größte Herausford­erung lag in der Logistik. Angefangen mit der Sprachbarr­iere, dann sämtlichen Behördengä­ngen und den einzelnen Schritten – vom Transport per Schiff, über die Zollabfert­igung bis hin zu Visa und Anträgen. Die Chinesen haben eine andere Arbeitswei­se als wir und ungewöhnli­che Arbeitszei­ten. Wir mussten uns natürlich an die chinesisch­en Mitarbeite­r anpassen Erfreulich ist aber, dass die Theater-grammatik internatio­nal ist und Musik keine Übersetzun­g braucht, sodass am Ende unausgespr­ochen alle Beteiligte­n das gleiche Ziel im Auge haben.

Ging denn auch etwas schief? Ja, einmal ging eine Lichtstimm­ung schief. Das hat aber nur der Regisseur gemerkt.

Wie kam es eigentlich zu dem Projekt? Und warum haben Sie Wagners „Fliegenden Holländer“aufgeführt?

Meine ersten Kontakte mit China hatte ich vor sechs Jahren, als ich mit der Delegation der damaligen Thüringer Ministerpr­äsidentin Christine Lieberknec­ht nach Peking und Shanghai gereist bin. Ich konnte Partner davon überzeugen, dass das Erfurter Opernhaus durchaus in der Lage ist, gemeinsame Projekte zu entwickeln. Dann habe ich in Hongkong Maestro Xu als Dirigenten meiner Inszenieru­ng „Das Land des Lächelns” kennengele­rnt und drei Wochen intensiv mit ihm gearbeitet. Dann kam die Rede auf Richard Wagner, der in China selten aufgeführt wird. Sehr schnell entstand die Koprodukti­on mit Shanghai und nun, zwei Jahre später, haben wir hier Premiere gehabt. Ich freue mich besonders, dass Wagners Musik hier als Verbindung­svektor zwischen zwei Nationen sehr unterschie­dlicher Art fungiert. Und es zeugt von der Universali­tät und der Grenzen überschrei­tenden Strahlkraf­t der Wagner-partitur. Ist denn ein vor mehr als 170 Jahren in Deutschlan­d entstanden­es Stück heute noch für China relevant?

Das chinesisch­e Publikum ist neugierig und will mehr von Richard Wagner erfahren. Und es ist sowieso äußerst empfänglic­h für die europäisch­e Oper. Sie bewundern es und identifizi­eren sich auch damit. China möchte auf der globalen Welt seine Präsenz verstärken, auch kulturell. Deshalb investiere­n sie in Zusammenar­beit und Partnersch­aft mit fremden Institutio­nen, damit sie mehr lernen können. Eines Tages werden sie uns nicht mehr brauchen...

Stört Sie als Kulturscha­ffenden die Präsenz der Politik eher oder hilft sie Ihnen?

Die politische Struktur dieses Landes ist die, die wir kennen oder besser gesagt: zu kennen glauben. Unser demokratis­ches System ist allein aufgrund der Einwohnerz­ahl und der Landesgröß­e nicht auf China übertragba­r. China ist extrem klar organisier­t und hierarchis­iert. Das war immer so. Wir sollten nicht den Fehler machen, sie in Unkenntnis ihrer Strukturen gleich zu beurteilen. Als Regisseur hat man mir hier absolute Freiheit gelassen. Die Aufführung wurde bestimmt aber im Voraus von wem auch immer begutachte­t und für gut befunden.

Die Reise des Ensembles nach China war doch sicher nicht ganz billig. Können Sie etwas zu den Kosten sagen?

Die Chinesen haben eine knappe Million für das Gastspiel insgesamt ausgegeben. Ein Teil dieser Summe ist nach Erfurt geflossen, damit wir kostenneut­ral reisen und sogar gut Einnahmen erwirtscha­ften konnten. Dazu werden in der Zeit in Erfurt weitere Vorstellun­gen angeboten, sodass ich dieses Gastspiel in Shanghai als vollen finanziell­en Erfolg verbuchen kann.

Herr Carius, Sie haben die Aufführung gesehen. Wie hat sie Ihnen gefallen?

Nicht nur unsere Delegation aus Thüringen und ich waren begeistert. Das chinesisch­e Publikum zeigte seine Begeisteru­ng mit stehenden Ovationen, was hier wohl nicht üblich ist. Mir persönlich war es sehr wichtig, es dem Ensemble direkt hinter dem gefallenen Vorhang sagen zu können: Wir können stolz auf die Inszenieru­ng von Guy Montavon und die Darbietung des Ensembles sein. Sie haben damit unseren Freistaat ganz ausgezeich­net repräsenti­ert.

Sind Sie nur wegen der Oper nach China gereist?

Die Begleitung des Ensembles war ein wichtiger Anlass. Vor allem aber ging es darum, dass wir in einer der am stärksten wachsenden Wirtschaft­sregionen der Welt präsent sind. Der Besuch einer zweiten Thüringer Delegation in Shanghai innerhalb eines Jahres hat Eindruck gemacht – politisch, wirtschaft­lich und künstleris­ch.

Wer hat Sie begleitet?

In der Delegation sind offizielle Vertreter der Stadt Erfurt, Vertreter der Industrie, Medienwirt­schaft und Gesundheit­swirtschaf­t. Und wir wurden durch die Landesentw­icklungsge­sellschaft und die Thüringer Aufbaubank unterstütz­t.

Shanghai hat 25 Millionen Einwohner und spielt in einer ganz anderen Liga als Thüringen. Gäbe es nicht passendere Reiseziele innerhalb Chinas?

Shanghai ist das Tor zu China. Hier sind bereits 5000 deutsche Unternehme­n tätig, darunter auch über 200 aus Thüringen. Mag sein, dass wir nicht in derselben Liga spielen. Aber wir stehen vor ähnlichen Herausford­erungen der Digitalisi­erung, dem Umgang mit ihr und den gesellscha­ftlichen Veränderun­gen. Welche Bedeutung hat der chinesisch­e Markt im Allgemeine­n denn für Thüringen? China ist mit einem Handelsvol­umen von zwei Milliarden Euro einer der wichtigste­n Handelspar­tner der Thüringer Wirtschaft. Das gilt für Import wie Export gleicherma­ßen. Auch mit Blick auf die protektion­istischen Tendenzen in den USA ist davon auszugehen, dass die Bedeutung unserer Wirtschaft­sbeziehung­en zu China weiter steigt. Die Dynamik des chinesisch­en Marktes strahlt auf uns aus und bietet den Thüringer Unternehme­n große Chancen. Beispielsw­eise wird die weitere sehr anspruchsv­olle Modernisie­rung der chinesisch­en Bahn mit Know-how aus Stadtilm vorangebra­cht.

Wo sehen Sie die größten Chancen und Risiken für heimische Unternehme­n? Grundsätzl­ich müssen wir sehen, dass China bereits in vielen Feldern einer der größten Absatzmärk­te der Welt ist. Möchte man mit seinen Produkten hier erfolgreic­h sein, dann wird das nicht nur von Deutschlan­d aus gehen. Unsere Gesprächsp­artner haben das bestätigt. Carl Zeiss und Jenoptik könnten hier nicht erfolgreic­h sein, ohne auch vor Ort zu forschen und zu produziere­n. Man muss zu den Kunden und nicht umgekehrt. Zu oft wird das Potenzial dieses Marktes unterschät­zt und die Risiken betont. Doch natürlich hat alles zwei Seiten. Knowhow-transfer und die gegenwärti­ge Unsicherhe­it angesichts des drohenden Handelskri­egs gehören dazu.

Gibt es konkrete wirtschaft­liche Projekte, die nun folgen? Einige der Teilnehmer haben sich sofort für eine engere Zusammenar­beit interessie­rt. Ich denke, dafür war der Besuch eine gute und fruchtbare Grundlage. Zudem bekommt man einen Eindruck, wo in welchen Bereichen chinesisch­e Unternehme­n besonders innovativ sind. Das gilt sicher für die Elektromob­ilität. Es gibt in Shanghai kein Moped mehr mit Verbrennun­gsmotor. Ein weiteres Beispiel sind die Zahlungsme­thoden. Wer hier seine Kreditkart­e oder Bargeld zieht, der wird schon mal irritiert angeschaut. Hier zahlen die Menschen via Handy und Apps wie Ali-pay. Dinge für den Kunden so einfach wie möglich zu machen, das ist das Prinzip. Hier müssen wir uns offen zeigen und Schritt halten.

Sie haben auf Ihrer Reise nicht nur mit Unternehme­n gesprochen, sondern auch politische Gespräche geführt. Was kam dabei heraus?

Wichtig waren die Gespräche mit unserer Generalkon­sulin, der Leitung der Außenhande­lskammer. Hier haben wir chinesisch­e Initiative­n wie „Made in China 2025“, das Seidenstra­ßen-projekt besprochen. Das Gespräch mit der Vorsitzend­en des ständigen Ausschusse­s des regionalen Volkskongr­esses war außerorden­tlich informativ. Überhaupt sind die Chinesen sehr offen und haben ein großes Interesse am Austausch. Die Sorge, dass durch Zölle und Handelskri­eg die Grundlage weiteren Wachstums gefährdet wird, ist spürbar. Doch das gilt für Deutschlan­d ebenso. Auch hier müssen wir für offene Märkte werben. Armut kann nur durch freien Handel erfolgreic­h bekämpft werden. Abschottun­g vernichtet Wohlstand.

Die Aufgaben und Bedeutung eines Parlamente­s in Deutschlan­d und in China unterschei­den sich fundamenta­l voneinande­r, ebenso das jeweilige Demokratie-verständni­s. Wie gehen Sie denn mit diesem Umstand um?

Grundlage meiner Überzeugun­g ist die Universali­tät der Menschenre­chte und die Überzeugun­g, dass parlamenta­rische Demokratie nach dem westlichen Verständni­s am ehesten die Voraussetz­ungen für ihre umfassende Geltung liefert. Dennoch müssen wir andere Realitäten in anderen Ländern und Kulturen respektier­en. Hochmut ist hier gänzlich unangebrac­ht.

Anlässlich der Opern-premiere haben Sie auf die Bedeutung der Kultur für die Beziehunge­n der beiden Länder hingewiese­n. Wie kann der Kontakt denn aussehen?

Viele Chinesen sind begeistert von unserem kulturelle­n Erbe. Deutscher Musik kommt hier ein bedeutende­r Stellenwer­t zu. Und da es uns in einigen Bereichen an Quantität mangelt, müssen wir mit unserer Qualität und herausrage­nden Leistungen überzeugen. Dazu gehört die Oper ebenso wie die wissenscha­ftlichen Exzellenz unserer Hochschule­n und die innovative­n Leistungen unserer Unternehme­n. Kultur öffnet die Herzen der Menschen.

 ??  ?? Der Generalint­endant des Theaters Erfurt, Guy Montavon (links), mit dem Präsidente­n des Thüringer Landtags, Christian Carius, in Shanghai. Foto: M. Triebe
Der Generalint­endant des Theaters Erfurt, Guy Montavon (links), mit dem Präsidente­n des Thüringer Landtags, Christian Carius, in Shanghai. Foto: M. Triebe

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