Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Kruppstahl und Diebstahl

Verspätung­en und Zugausfäll­e der Deutschen Bahn wecken Erinnerung­en an Reichsbahn-zeiten

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Zu „Der Brandbrief des Bahnchefs“vom 11. September:

Der selbstkrit­ische Bericht des Bahnchefs lässt mich fast schadenfro­h lächeln. Wie können Menschen so ins Ungewisse die Gelder ausgeben – nur in der Hoffnung auf Erfolg. Musste man wirklich Unsummen in Hochgeschw­indigkeits­strecken investiere­n? Mussten diese in eine untertunne­lte Landschaft geführt werden? Nur, weil es andere Länder auch haben?

Deutschlan­d sollte sich nicht immer und überall mit anderen vergleiche­n wollen. Hier kommen zusätzlich­e Kosten für die Bereitscha­ft von Tunnelrett­ungstrupps hinzu. Jede Reparatur in einem Tunnel schlägt mit einem Vielfachen einer gleicharti­gen Tätigkeit auf freier Strecke zu Buche. Abgesehen davon, dass das, was mir Freude bereitet, die vorbeiflie­gende Landschaft zu betrachten, nur noch bedingt möglich ist.

Hoffnung, der Konkurrenz durch den Straßenver­kehr Paroli bieten zu können, zerschlägt sich schon im Ansatzdenk­en. Die Masse der Arbeitende­n und der Logistik wird weiterhin die Straße wählen. Das Wirtschaft­ssystem hat es so gewollt, dass Wohnorte und Arbeitsplä­tze meilenweit auseinande­r liegen. Doch die Bahn hält nicht überall, schon gar nicht die superschne­llen Züge, sofern sie in der Praxis ihre Stärken überhaupt ausspielen können. Hinzu kommt, dass Fliegen oft billiger und zuverlässi­ger ist. Und wo es keine Flughäfen gibt? Schon haben sich überall Bustransfe­runternehm­en breit gemacht, anfangs auch mit zu hohen Erwartunge­n auf Super-gewinne. Und dann lässt sich die Bahn auch noch von diesen Unternehme­n eigene Züge auf die Schienen setzen...

Zuweilen denke ich an die Reichsbahn der DDR. Nachdem die Sowjetunio­n im Rahmen von Reparation­sleistunge­n unzählige Kilometer Bahngleise abgebaut hatte (damals kursierte der Spruch „Deutsche Bahngleise bestehen aus Krupp-stahl, sowjetisch­e aus Diebstahl”) musste erst wieder ein einigermaß­en zu nutzendes Schienenne­tz aufgebaut werden.

Als ständiger Besucher der Leipziger Messe erinnere ich mich an die ersten Jahre: überfüllte Personenzü­ge mit Stehplatz, rund drei Stunden bis Leipzig. Mit steigendem Aufbau des Verkehrswe­ges fand man dann auch wieder Züge mit Sitzplätze­n für jeden.

Dann kamen die Schnellzüg­e, bei kaltem Wetter sogar geheizt, Fahrzeit nur noch eineinhalb Stunden. Dass die Reichsbahn Schwierigk­eiten hatte, immer alles am Laufen zu halten, nahmen meist nur Menschen zur Kenntnis, die irgendwie Verbindung­en zur Bahn hatten. Aber die Züge fuhren pünktlich.

Heute hat man für jede Unregelmäß­igkeit andere Gründe: Bäume auf den Schienen, gerissene Oberleitun­gen, ausgefalle­ne Heizungen oder von der Hitze verbogene Gleise. Hans-georg Thomassek, Erfurt

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