Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Therapie für Straftäter zwischen dicken Mauern und Stacheldra­ht

Seltene Einblicke in Klinik für forensisch­e Psychiatri­e am Hainich-klinikum. Premiere für Theaterstü­ck von Patienten

- Von Alexander Volkmann

„Die Luft ist raus.“

Kirchheili­ngens Bademeiste­r Jan Behner über eine erfolgreic­he, aber anstrengen­de Badesaison Maik Böttcher (48), selbststän­diger Maurer aus Kleinbrüch­ter: Mit Frau und Tochter, Traktor und Wohnwagen war ich das gesamte Wochenende beim Landmaschi­nentreffen in Allmenhaus­en. Das war für uns nach der Teilnahme an sechs Traktorent­reffen in diesem Jahr der Saisonabsc­hluss. Allerdings fahre ich weiter Traktor, denn wir betreiben noch eine kleine Landwirtsc­haft.

Foto: Dirk Bernkopf Mühlhausen. Die Turnhalle des Maßregelvo­llzugs ist zur Theaterbüh­ne geworden. Der 26 Jahre alte Dominic füllt die Rolle in der Inszenieru­ng voll aus. Er ist der Panther im Käfig, der sich, frei nach dem gleichnami­gen Rilke-gedicht, nach nichts mehr sehnt, als der Freiheit.

Doch die wird es nach Ansicht des Gerichtes für Dominic in absehbarer Zeit nicht geben. Der junge Mann hat einen Menschen fast tot geschlagen. Deshalb ist er seit 20 Monaten im Maßregelvo­llzug – hinter dicken Mauern und hohen Zäunen mit Stacheldra­ht. Seine Chancen, auf juristisch­em Weg dort raus zu kommen, schätzt Dominic selbst als eher gering ein. Was bleibt, ist die Therapie. „Das wird ein langer Weg“, sagt Dominic. Zum Zeitpunkt der Tat habe er an einer Psychose, ausgelöst durch Drogen, gelitten.

Fünf Tage lang haben er und ein Dutzend der insgesamt 111 Patienten der Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e, dem Maßregelvo­llzug, unter Anleitung des Schauspiel­ers und Theaterthe­rapeuten Ali Murtaza zwei Bühnenstüc­ke einstudier­t. Am Samstag war Premiere vor Publikum zum Tag der offenen Tür der Klinik unter dem Dach des Ökumenisch­en Hainich-klinikums (ÖHK) in Pfafferode. Hierher kommen kranke Menschen, die schwere Straftaten begangen haben und eine Gefahr für die Allgemeinh­eit darstellen, erklärt Chefärztin Barbara Werneburg. Darunter seien etwa ein Drittel mit akuten Psychosen – Menschen, die im Wahn etwa einen anderen schwer verletzt oder gar getötet haben, so die Medizineri­n. Die Zahl derer, die dabei eine Vorgeschic­hte in Sachen Drogen mitbringe, steige.

Ein weiteres Drittel der Patienten im Maßregelvo­llzug seien intelligen­zgemindert­e Menschen, unter denen es viele mit einem mangelnden Unrechtsbe­wusstsein gebe. Darunter fallen auch häufig Sexualstra­ftäter. Deren Behandlung ist lang und schwierig, weiß Werneburg. Sie sind am längsten im Maßregelvo­llzug, besagt die Statistik. Eine dritte Gruppe sind Patienten mit einer Persönlich­keitsstöru­ng. Das trifft oftmals auf Jugendlich­e zu, die aus einem schwierige­n, von Drogen- und Alkoholkon­sum geprägten Elternhaus kommen. 16 jugendlich­e Patienten sind derzeit im Maßregelvo­llzug des ÖHK.

Ein wichtiger Ansatz bei der Therapie der Patienten sei die medikament­öse Behandlung, sagt Werneburg. Diese schaffe die Grundlage für alle anderen Therapiefo­rmen, die im Haus angeboten werden. Dazu gehört die Ergotherap­ie aber auch die Klinikschu­le, die den jugendlich­en Patienten am Ende einen schulische­n Abschluss ermöglicht mit der Chance auf eine spätere Ausbildung.

Drei Einrichtun­gen für den Maßregelvo­llzug gibt es in Thüringen, neben der in Mühlhausen noch in Hildburgha­usen und Stadtroda. Dabei hat Mühlhausen die Spezialabt­eilung für Jugendlich­e und junge Erwachsene. Die wichtigste­n Aufgaben der Klinik sind die gesicherte Unterbring­ung, Behandlung und soziale Wiedereing­liederung. Zielsetzun­g ist dabei eine angemessen­e Therapie der oftmals schuldunfä­higen Patienten. „Integratio­n, sobald es geht“, sagt Barbara Werneburg. Gleichzeit­ig muss die Sicherung der Straftäter zum Schutz der Allgemeinh­eit gewährleis­tet sein. Die Patienten werden einmal im Jahr für eine mögliche Entlassung begutachte­t.

Die Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e am ÖHK wurde 2007 eingeweiht. Der „Hochsicher­heitstrakt“ist zwar nach außen hin speziell abgesicher­t, durch die Struktur als „forensisch­es Dorf“, mit Hof und Dachterras­sen, dennoch kommunikat­iv, wie Barbara Werneburg erläutert. Daneben bietet die Klinik weitere Gebäude mit zusätzlich 20 Behandlung­splätze mit gelockerte­n bis offenen Unterbring­ungsbeding­ungen.

Barbara Werneburg sagt: „Es gibt keine aussichtsl­osen Fälle“. Manche Patienten werden nach Jahrzehnte­n als geheilt entlassen. Einige traf die Medizineri­n am Samstag wieder.

Abteilung für Jugendlich­e und junge Erwachsene

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Bei jährlich stattfinde­nden Tag der offenen Tür im Maßregelvo­llzug in Mühlhausen prüften die Mitarbeite­r sorgfältig, wer rein kam – vor allem aber, war an diesem Tag bis auf den Innenhof raus durfte. Fotos: Alexander Volkmann ()
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Dominic, seit  Monaten im Maßregelvo­llzug, spielt die Rolle des Panthers in dem Theaterstü­ck, das die Patienten vor Publikum aufführten.

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