Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Schramm warnt vor „französischen Verhältnissen“
Vor dem Hintergrund eines erstarkenden Antisemitismus in ganz Europa hat der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, vor „französischen Verhältnissen“gewarnt. Deutschland müsse alles unternehmen, damit nicht, wie tausendfach in Frankreich, Juden aus Angst um ihre Zukunft nach Israel übersiedelten, sagte er bei der Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages des Novemberpogroms von 1938 gestern im Erfurter Landtag. Hoffnung machten ihm dabei
Wort „Jude“hat noch immer eine Aura, die es für viele in eine Reihe stellt mit diskriminierenden Bezeichnungen wie „Zigeuner“und „Neger“.
Diesem Umstand verdankt sich die hilflose, wiewohl gut gemeinte Konstruktion der „Mitbürger jüdischen Glaubens“– obgleich ein Mensch nicht dem jüdischen Glauben anhängen muss, um Jude zu sein. Der Umstand belegt die Hypothek, mit der dieses Deutschland, man mag das wollen oder nicht, noch immer belastet ist. Und das Unbehagen an die „zahlreichen Demokraten“im Land, aber „es könnten ein paar mehr sein“.
Die harmlos als „Kristallnacht“bezeichneten Übergriffe auf Juden und ihre Synagogen, Wohnungen und Geschäfte hätten 1938 den Übergang von Ausgrenzung und Diskriminierung hin zu Terror und Mord markiert. Von den fünf Toten im Zuge des Pogroms in Erfurt bis zu den sechs Millionen Toten am Ende des Hitler-regimes sei „der Weg relativ kurz“gewesen, so Schramm. Die Gesellschaft habe den Terror gegen die Juden
dieser Last, die kaum ein jetzt Lebender zu verantworten hat, trägt wohl auch seinen Teil bei zu einer Offenheit für antisemitische Stereotype. So stimmten im Thüringen-monitor 26 Prozent der Aussage zu, „die Juden“würden ihre „Opferrolle“ausnutzen. Rechtsradikale Ansichten vertreten 20 Prozent – und 63Prozent würden sich von einer Moschee in der Nachbarschaft gestört fühlen.
Das ist es, das ist es mindestens auch. Denn so verquer das klingen mag, die zunehmende Islam-feindlichkeit, eine Exklusivität beanspruchende Heimatliebe damals widerspruchslos hingenommen.
Auch heute müssten Juden in Thüringen wieder Beleidigungen und Angriffe auf ihre Einrichtungen ertragen, der letzte davon nach Schramms Angaben erst am Donnerstag auf den jüdischen Friedhof in Sondershausen. Wie in der Nazizeit reagierten viele Menschen darauf wieder mit „Schweigen, Wegschauen und heimlicher Zustimmung“. Deshalb müsse die Erinnerung an den 9. November 1938 als „Auftakt zum Massenmord“wachbleiben. (dpa)
bereiten auch den Boden für Juden-feindlichkeit. Und das, obgleich mit der Migration vieler Muslime aus Ländern, in denen Antisemitismus eine Art kultureller Grundausstattung bildet, zweifelsfrei auch Antisemitismus einwandert, der allerdings weniger aktiv ist als der der Deutschen.
Die zunehmend gesellschaftsfähige Islamfeindlichkeit bereitet auch den Boden für den noch nicht gesellschaftsfähigen Antisemitismus: indem der grundlegende Respekt für eine fremde Kultur nicht mehr selbstverständlich ist, indem Handlungen