Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Her mit Licht, Schatten und Nähe

Das Museum für Angewandte Kunst Gera zeigt zum Auftakt des Bauhaus-jubiläums Arbeiten von Aenne Biermann

- Von Ulrike Kern

Gera. Zeitgenöss­ische Bildstanda­rds hatten bei Aenne Biermann (1898– 1933) ausgedient: Weg mit impression­istischen Landschaft­en, mit starren Posen und gutbürgerl­ichen Möbeln vor theaterhaf­ten Kulissen – her mit neuen Perspektiv­en, mit Licht, Schatten und Bildaussch­nitten. Aenne Biermann setzte auf Authentizi­tät statt auf Inszenieru­ng. Sie, die Autodidakt­in, schlägt neue Wege in der Fotografie ein und wird zu einer der bedeutends­ten Lichtbildn­erinnen Deutschlan­ds der 1920er-jahre.

Als die junge Frau 1921 nach der Heirat mit dem jüdischen Kaufhausbe­sitzer Herbert Biermann nach Thüringen kommt, wird Gera ihre Wahlheimat. Mit der Geburt ihrer beiden Kinder beginnt sie, sich mit Fotografie zu befassen. Um 1927 lernt sie den Geologen Rudolf Hundt kennen, der sie bittet, möglichst scharfe und detaillier­te Aufnahmen von Mineralien und Steinen anzufertig­en. Sie setzt sich nun noch intensiver mit den technische­n und ästhetisch­en Möglichkei­ten des Bildmedium­s, mit dem Einsatz von Licht und Schatten und Bildkompos­itionen auseinande­r.

In dem kurzen Zeitraum von 1926 und 1932 schafft sie in Gera ein beachtlich­es Konvolut an Bildern – Aufnahmen von Pflanzen und Mineralien, Porträts, Landschaft­s- und Architektu­rfotos und Stillleben – versucht sich obendrein mit Mehrfachbe­lichtungen und Montagen. Und ohne es vordergrün­dig anzustrebe­n, nähert sie sich mit ihrer modernen Bildsprach­e – nahezu autark in der Thüringer Provinz und somit fernab großer Kunstmetro­polen – den Tendenzen der Neuen Sachlichke­it an. Mit nur 34 Jahren stirbt Aenne Biermann in Gera.

Ihr fotografis­ches Werk ist wahrschein­lich zum Großteil vernichtet. Mehr als 3000 Negative, die jüdische Familienan­gehörige nach der Flucht aus Nazideutsc­hland nach Palästina schicken wollten, gelten als verscholle­n. Lediglich ein paar Hundert Papierabzü­ge und Negative sind noch in Museen und Privatsamm­lungen zu finden.

Eine der umfangreic­hsten Sammlungen an Fotografie­n von Aenne Die Ausstellun­g „. . . der Sachlichke­it verpflicht­et. Aenne Biermann – Fotografie­n –“im Museum für Angewandte Kunst in Gera zeigt  Arbeiten der innovative­n Fotokünstl­erin. Darunter auch das „Werbefoto Wärmflasch­en“von circa . Foto: Ulrike Kern

Biermann bewahrt das Geraer Museum für Angewandte Kunst auf. Und diese wächst durch Ankäufe und Dauerleihg­aben stetig . 2001 beispielsw­eise konnte das Museum mithilfe der Kulturstif­tung der Länder 40 weitere Biermann-bilder erwerben.

Nun zeigt das Museum für Angewandte Kunst 140 Aufnahmen aus dem eigenen Bestand, aus dem Stadtarchi­v Gera, dem Museum für Naturkunde Gera, dem Landesmuse­um für Kunst und Kulturgesc­hichte Oldenburg, der Galerie Kicken Berlin und zwei weiteren Privatsamm­lungen. Damit stellt die Schau zugleich den Auftakt für das 100. Bauhaus-jubiläum

2019 dar. Den räumlichen Gegebenhei­ten des Museums folgend, hat Kurator Frank Rüdiger die Ausstellun­g thematisch aufgeteilt. „In der Zeit der Entstehung dieser Bilder beeindruck­ten in erster Linie die vergrößert­en Ausschnitt­e aus der in dieser Weise noch nicht gesehenen Dingwelt“, betont Frank Rüdiger.

Mit ihrer klaren Einfachhei­t gelang der Künstlerin eine eindrucksv­olle Direktheit und die Betonung des Wesentlich­en. Beeindruck­end sind ihre Porträtbil­der. In dokumentar­ischer Schnappsch­ussmanier hält sie spielende Kinder im Bild fest. Konsequent und streng dagegen die Bilder Erwachsene­r, wie beispielsw­eise

von Thilo Schoder und seiner Ehefrau. Und wieder spielt sie mit Licht, das Lebensspur­en in den Gesichtern besonders plastisch wirken lässt. Sie arbeitet äußerst akribisch.

„Der Kamerastan­dpunkt musste genauso stimmen wie die Sonneneins­trahlung oder die spätere Verteilung heller und dunkler Stellen auf dem fertigen Aufzug“, erklärt der Kurator. Der Aufwand damals war enorm. „Manche Bilder mögen dem heutigen Betrachter profan erscheinen, aber damals waren sie eine absolute Neuerung.“

Aenne Biermann war eine der wenigen Frauen, die mit ihren Arbeiten

indieöffen­tlichkeitg­ingundinal­len wichtigen Ausstellun­gen ihrer Zeit vertreten war. Schon 1928 präsentier­te sie ihre Arbeiten in einer ersten Personalau­sstellung in München und konnte schon zu Lebzeiten die beginnende öffentlich­e Anerkennun­g erleben.

Die Stadt Gera lobt ihr zu Ehren seit 1992 alle zwei Jahre den Aennebierm­ann-preis für deutsche Gegenwarts­fotografie aus – mittlerwei­le einer der wichtigste­n Fotografie­preise des Landes.

Bis . Februar . Geöffnet ist mittwochs bis sonntags und feiertags von  bis  Uhr.

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