Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
House of Cards
Jetzt geht es wieder los. Sie wissen schon, der morallose Frank Underwood ist tot, weil sein Darsteller Kevin Spacey moralisch erledigt ist, jetzt hat Claire Underwood das Sagen und Betrügen.
Und nein, die exzellente Tv-serie „House of Cards“beruht nicht auf wahren Begebenheiten, obgleich the real Donald Trump im real Oval Office den Präsidenten spielt. Beide, Frank Underwood und Donald Trump, bestätigen viele Menschen in dem Empfinden, dass Politik ein schmutziges Geschäft sei, in dem unmoralische Angebote lustvoll unterbreitet und angenommen werden.
Nun empfehlen die Medienwissenschaftler uns Journalisten immer wieder, überregionale Ereignisse auf unsere jeweilige Region herunterzubrechen. Und wenn ich da so nachdenke über Thüringen im Allgemeinen und Erfurt im Besonderen da fällt mir doch…
Da fällt mir doch wie von ungefähr Tobias Knoblich ein. Der Erfurter Kulturdirektor tut, was er kann, und er kann nicht wenig, um den Bürgern zu demonstrieren, was für manche Politiker einzig Relevanz besitzt: die Karriere. Und er leistet in der Bewältigung dieser Aufgabe Herausragendes. Wenn der Preis für den peinlichsten Thüringer Politiker des Jahres zu vergeben wäre: Keine Jury käme an Tobias Knoblich vorbei.
Diese Einleitung fällt so rotzig aus, weil ich Knoblichs Auftritt auf der Erfurter und Bayreuther Bühne als Rotzigkeit empfinde: Gegenüber den Bürgern beider Städte, gegenüber den ehemaligen und/oder künftigen Kollegen.
Der Erfurter Kulturdirektor hatte sich in der Wagner-stadt Bayreuth als Kulturreferent beworben und wurde dort für diese Position ausgewählt, woraufhin er in Erfurt zum Jahresende kündigte. Das ist nicht ehrenrührig, das ist ein normaler Vorgang. Nach seiner Kündigung hatte er noch ein wenig nachgewaschen, sprach von „Verzagtheit und Verlustängsten“in Erfurt, die seiner weltoffenen Art entgegenstünden. Nun ja, diese ambitionierte Weltoffenheit zeigte sich zum Beispiel an der krachend gescheiterten zentralen Erfurter Ausstellung zum Lutherjahr, kuratiert vom Direktor der Erfurter Geschichtsmuseen, der von Knoblich in diesem Zusammenhang immer wieder geschützt und gedeckt wurde. Dieser Direktor, dessen Umgang mit seinen Mitarbeitern als schwierig beschrieben wird, hat in Erfurt ebenfalls gekündigt. Womöglich, das ist nur eine Vermutung, trieb ihn die Sorge, er könnte ohne Knoblichs Schutz und Schirm im Regen stehen. Und womöglich hat er sich da etwas verrechnet.
Denn Knoblich, in Bayreuth bereits designierter Kulturreferent, bewarb sich in Erfurt für die zu besetzende Position eines Dezernenten unter anderem für Kultur, doppelt hält besser. Man darf unterstellen, dass dies kaum geschah ohne vorherigen Kontakt mit dem Oberbürgermeister Andreas Bausewein, der ihn umgehend zu seinem Favoriten erklärte. Bausewein riskiert damit die rot-rot-grüne Koalition im Rathaus, denn die Grünen ließen wissen, dass das Ausbooten der grünen Amtsinhaberin Kathrin Hoyer, bislang Knoblichs Vorgesetzte, das Ende der Koalition bedeute. Der Umstand steht für Bauseweins Desinteresse an Kultur, denn er hatte wohl nicht gewusst, wie wenig Sympathie es für Knoblichs Verbleib in Erfurt gibt. So, wie er nicht willens oder fähig ist, seine Verwaltung zu zähmen, wenn sie wieder und wieder kulturfeindliche Entscheidungen trifft.
Tobias Knoblich, der lange alle irritierten Anfragen aus Erfurt und Bayreuth ignorierte, hat sich nun erklärt. Immerhin, so hat er versprochen, will er seine Entscheidung, Erfurt oder Bayreuth, vor der Dezernenten-wahl am 28.11. verkünden. Das ist doch schon mal was, Respekt. Doch vorab, nämlich am kommenden Montag, will er seine Ernennungsurkunde in Bayreuth abholen, den, sozusagen, Spatz in die Hand nehmen. Zwar, die Erfurter Stelle ist höher dotiert, aber Bayreuth, wenn es hier schief geht, ist besser als nichts. Diese Überlegung schätzen sie nicht sehr in Bayreuth, irgendwie begreiflich. Jetzt hat da nämlich die dortige Spd-fraktion im Stadtrat einen Brief an die Erfurter Genossen geschrieben mit der Bitte um Solidarität: „Aus diesem Grunde bitte ich euch, liebe Genossinnen und Genossen, seid solidarisch mit uns und wählt Dr. Knoblich am 28.11. zum Dezernenten in Erfurt.“Allerdings sieht es so aus, als gäbe es diese Neigung in Erfurt nur eingeschränkt. Zu Recht, denn Knoblich hat jegliche Integrität verspielt und dazu beigetragen, den Beruf des Politikers zu diskreditieren. Dieser Mann und sein Amt wären in Erfurt wie in Bayreuth vom ersten Tag an beschädigt. Der Vorsitzende der Csu-fraktion in Bayreuth stöhnte öffentlich „Man kann eigentlich für Bayreuth nur hoffen, dass er in Erfurt Erfolg hat.“Da sei Gott vor – und die Stadträte auch.
Henryk Goldberg ist Publizist und schreibt jeden Samstag seine Kolumne