Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Bewährungsstrafe nach Judenhass-botschaft und Islamisten-werbung
Neun Monate Haft auf Bewährung lautet das Urteil gegen einen 22-jährigen Mann aus Afghanistan. Er soll eine Hassbotschaft gegen Juden und Werbung für die Terrororganisation „Islamischer Staat“(IS) auf Facebook verbreitet haben. Aus Sicht der Staatsschutzkammer am Landgericht Gera ist das Volksverhetzung und ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz.
Staatsanwalt Martin Zschächner forderte eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, nicht ausgesetzt zur Bewährung. Verteidiger Dieter Rößler plädierte auf acht Monate Haft ohne Bewährung. Sollte das Gericht auf eine höhere Strafe entscheiden, dann mit Bewährung.
Der 22-Jährge akzeptierte das Urteil. Er konnte gestern den Gerichtssaal nach sechs Monaten Untersuchungshaft als freier Mann verlassen. Die Staatsanwaltschaft prüft noch, ob sie Rechtsmittel einlegen wird.
Der Afghane hatte die Tatvorwürfe bestritten, aber die umstrittenen Internet-posts eingeräumt. Er verteidigte sie als religiöse Botschaften. Werbung für den IS gemacht zu haben, weist er zurück.
Ein Islamwissenschaftler des Landeskriminalamtes (LKA) erklärte, dass einige der Symbole im Video deutlichen Bezug zum IS hätten. Der Experte verweist aber auch auf die widersprüchlichen Äußerungen des Angeklagten in dessen Facebook-account. Er wollte sich nicht festlegen, ob der 22-Jährige wirklich zu einer militanten Auslegung des Islam neige. Unstrittig ist aber, dass er ein sehr konservatives Religionsverständnis entwickelt habe.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft musste der Angeklagte gewusst haben, dass das Verbreiten von Symbolen der Terrororganisation „IS“in Deutschland verboten und strafbar ist. Auch dessen Argumenten zur Veröffentlichung des judenfeindlich-religiösen Textes folgte der Ankläger nicht. Der 22-Jährige habe einen Text gepostet, der zum Hass gegen Juden aufstachelt und diese erniedrige. Er könne nicht davon ausgehen, dass der Mann künftig „Rechtstreue über seine religiöse Treue“stelle, so der Staatsanwalt.
Richter Uwe Tonndorf erklärte nach dem Urteil dem 22-Jährigen noch einmal ausführlich, dass dieser nicht wegen seines Glaubens bestraft werde. Aber Toleranz in Deutschland ende, wo Intoleranz beginne. Meinungsfreiheit sei eines der wichtigsten Güter der Gesellschaft. Diese dürfe aber nicht missbraucht werden, um beispielsweise Gewalt zu verherrlichen oder andere Bevölkerungsgruppen verächtlich zu machen und zu beschimpfen, so der Richter.
Volksverhetzung stehe auch wegen der historischen Verantwortung Deutschlands für die Zeit des Nationalsozialismus im Strafgesetz. Zwischen 1933 und 1945 seien schlimmste Verbrechen im Namen des deutschen Volkes verübt worden, darunter der Völkermord an fünf bis sechs Millionen Juden.
Die Staatsschutzkammer verpflichtete den Verurteilten, sich regelmäßig bei seinem Bewährungshelfer zu melden und jeden Wechsel seines Wohnortes mitzuteilen. Sollte sich der 22Jährige nicht daran halten und nicht nach Leinefelde-worbis fahren, um sich bei den Behörden zu melden, komme sofort ein Sicherungshaftbefehl. „Wir wollen wissen, wo er sich aufhält“, so der Richter. Er verweist darauf, dass eine Straftat wie das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 auf jeden Fall verhindert werden solle.
Der Prozess war in Thüringen das erste Verfahren wegen mutmaßlicher islamistischer Betätigung.