Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Verein will wieder Straßenbah­n durch Mühlhausen fahren lassen

- Von Alexander Volkmann

Am 26. Juni vor 50 Jahren fuhr die Tram das letzte Mal. Jetzt könnte das alte Netz wiederbele­bt werden

Mühlhausen. Der Verein zur Förderung handwerkli­cher Traditione­n in Mühlhausen will Teile des ehemaligen Straßenbah­nnetzes durch die Kreisstadt reaktivier­en. Bei einer Ideenbörse sollen Vorschläge aus der Bevölkerun­g gesammelt werden, damit wieder öffentlich­er Personenna­hverkehr durch die Innenstadt, zwischen Bahnhof und Stadtwald, möglich ist.

Auf den Tag genau vor 50 Jahren, am 26. Juni 1969, fuhr die Straßenbah­n das letzte Mal. Sieben Jahrzehnte lang hatte sie auf zwei Linien Fahrgäste befördert. Die Stilllegun­g der Strecke, die vor allem wirtschaft­liche Gründe gehabt haben soll, traf viele Mühlhäuser tief. Nun, ein halbes Jahrhunder­t später, will der Verein wieder eine Straßenbah­n vom Bahnhof über den Steinweg bis zum Stadtwald fahren lassen. Das ist die Vision der Vereinsmit­glieder um den Vorsitzend­en und Stadtrat Hansjörg Adamaschek (Bürgerlist­e). Er will Ideen der Bürger zusammentr­agen, wie das gelingen könnte. Das Thema sei tief verwurzelt in der Bevölkerun­g, weiß Adamaschek.

Bei den Plänen solle es weniger um Nostalgie gehen als tatsächlic­h um eine moderne Form des Öffentlich­en Personenna­hverkehrs. Es gehe um die Verbindung zwischen alten Verkehrswe­gen und neuer Technologi­e, sagt Adamaschek. „Eine Straßenbah­n kann zur Touristena­ttraktion werden und die Innenstadt beleben.“Das wäre ökologisch nachhaltig und könne den konvention­ellen Fahrzeugve­rkehr reduzieren. Es müsse nicht zwangsläuf­ig eine Variante auf Schienen und mit Oberleitun­gen sein, so Adamschek weiter, es gehe aber um das ehemalige Straßenbah­nnetz.

Triebwagen 43 wird gerettet

Einer der letzten Straßenbah­nwaggons, der nach der Stilllegun­g gerettet werden konnte, ist der Triebwagen 43. Er wird vom Verein zur Förderung handwerkli­cher Traditione­n gepflegt, nachdem er ab 1995 umfangreic­h wieder aufgebaut wurde. Heute steht er im Lokschuppe­n am Wendewehr.

Bis zum Ende der 1920er-jahre wurde der Personenve­rkehr in Mühlhausen ausschließ­lich mit der Straßenbah­n abgewickel­t. Vorerst nur auf der Unterstadt­linie vom Bahnhof zum Bastmarkt und der Außenlinie Bastmarkt – Popperode, kam 1899 die Verlängeru­ng bis zum „Weißen Haus“hinzu.

Es folgten im April 1901 die Inbetriebn­ahme der Oberstadtl­inie vom Bahnhof bis zum Frauentor und im November 1901 die Verlängeru­ng bis zur Aue.

Der Mühlhäuser Filmemache­r Thomas Peter hat sich mehrfach mit der Geschichte der Straßenbah­n beschäftig­t. Jetzt ist ein 40-seitiges Heft über die Historie der Bahn erschienen (erhältlich beim Autor zum Selbstkost­enpreis von 15 Euro). 120 Jahre Straßenbah­ngesichte erzählt Thomas Peter in Wort und Bild. Viele historisch­e Fotos von der Anfangszei­t bis zur Stilllegun­g und darüber hinaus mit den Überbleibs­eln der Straßenbah­n finden Platz in dem Heft.

In einen seiner Filme hat Peter auch Filmmateri­al von der letzten Fahrt eingearbei­tet. Am Prinzenhau­s, der sogenannte­n Prinzenwei­che, stieg das Kamerateam zu, weiß der Filmemache­r. „Die Mühlhäuser wussten nicht, dass an diesem Donnerstag ihre Straßenbah­n das letzte Mal fahren würde“, sagt Peter. Am 26. Juni um 20 Uhr war Schluss. Das Vorgehen bei der Stilllegun­g sorgte in weiten Teilen der Bevölkerun­g für Unverständ­nis. Auf eine Abschiedsf­ahrt und jegliche Art von Zeremonie wurde verzichtet.

Ab dem 27. Juni 1069 übernahmen Busse den gesamten Stadtverke­hr. Noch am selben Tag begann der Abtranspor­t der verblieben­en Bahnen. In Leipzig sollten sie als Bauunterkü­nfte genutzt werden, wegen ihres desolaten Zustandes wurden sie stattdesse­n jedoch verbrannt, andere Wagen standen auf Privatgrun­dstücken und wurden als Schuppen und Gartenlaub­en genutzt.

In den 1970er- und 1980erjahr­en wurden auch die Schienen bei der Umgestaltu­ng des Steinweges, in der Johannisst­raße und am Bahnhof entfernt, ebenso die Leitungsma­sten etwas später. Das wohl bekanntest­e und deutlichst­e Erbe der Mühlhäuser Straßenbah­n ist der Durchbruch neben dem Inneren Frauentor am Blobach, der im Jahr 1900 angelegt wurde.

Die Geschichte Straßenbah­n ist immer noch tief verwurzelt in der Mühlhäuser Bevölkerun­g, meint Vereinsche­f Adamschek. Vielleicht gelingt die Vision, sie wieder auf die symbolisch­en Gleise zu heben.

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Im Juni  Juni wurde Wagen  zum Abtranspor­t verladen.

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