Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Deutsche aus der Dobrudscha
Vertriebenen-treffen in der malerischen Winzerstadt Freyburg
Es war Mitte Mai dieses Jahres, als wir in das grüne Unstruttal fuhren, um in der malerischen Winzerstadt Freyburg andere Leute mit einer besonderen Abstammung aus Sachsen-anhalt und Thüringen zu treffen. Alle waren sie Kinder oder Enkel von Deutschen aus der Dobrudscha, einer fernen Region an der Küste des Schwarzen Meeres in Rumänien. Dort existierten bis 1940 rund 50 Dörfer, die vorwiegend von deutschen Familien besiedelt waren.
Der Freyburger Tag war ein bisschen ein Familientreffen, reichte aber doch durch die anregenden Einzelbeiträge und Gespräche darüber hinaus.
Der Sprecher der Dobrudschavertriebenen, der Hallenser Heinz Jürgen Örtel, freute sich mit den Gästen über das Grußwort des Bürgermeisters Udo Mänicke, der die Integration der deutschen Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg als eine große Leistung würdigte.
Das Kriegsende betraf die Deutschen in gleicher Weise, wie die Menschen vorher in den anderen Ländern. Die Vertriebenen aus Polen, der Tschechei und der Sowjetunion waren die zahlenmäßig größten deutschen Gemeinschaften, die mit Zwang umgesiedelt wurden. Somit spielte die kleine deutsche Minderheit aus Rumänien, vom Schwarzen Meer, in der Vertriebenenpolitik der Nachkriegsjahre in der Bundesrepublik kaum eine Rolle und in der DDR sowieso nicht.
Seit der deutschen Teilung 1949 wurde dieses Thema im Sinne der jeweiligen Siegermächte in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich behandelt. In Westdeutschland konnten sich die Vertriebenen-organisationen gründen und die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. In Ostdeutschland existierte das Vertriebenen-thema in der offiziellen Politik nicht, weder finanziell, noch wirtschaftlich, weder sozial noch emotional. Und die kleine Minderheit der Rumänendeutschen war den „Ureinwohnern“in Brandenburg, Sachsen oder Thüringen kaum bekannt.
Dabei gehörten die Deutschen vom Schwarzen Meer zu den Vertriebenen, die von Anfang an keine Ansprüche an ihre alte Heimat stellten. Das wurde von der Politik im Osten ignoriert, so dass unser Schwiegervater jedes Jahr zu Pfingsten „heimlich“zu den Treffen nach Westdeutschland fuhr, eben zum Verwandtenbesuch. Erst mit der deutschen Einheit trat eine neue, sachliche Bewertung ein, praktisch 45 Jahre nach dem Ende des schrecklichen Krieges.
Das heißt, zu dem Zeitpunkt lebten im vereinten Deutschland bereits zwei Generationen, die die ursprüngliche Heimat ihrer Eltern und Großeltern nur aus deren Berichten oder aus Urlaubsfahrten kannten.
Die Pfingsttreffen der Landsmannschaften in Westdeutschland erhielten einen Aufschwung, der durch die ostdeutschen Nachkommen dieser Familien befördert wurde.
Damit sind wir wieder in Freyburg, das bereits selbst zu einer kleinen Tradition geworden ist. Von den Besuchern dieses Treffens möchte keiner mehr nach Rumänien zurück; das wird immer wieder deutlich. Diese Menschen verstehen Deutschland als ihre Heimat und werden von den sogenannten „Spätaussiedlern“noch bestärkt, die nach 1990 ihre alte Heimat freiwillig verließen. Dazu sind die Verlockungen aus dem Ursprungsland zu groß. Vermutlich liegt darin eine Ursache solcher Treffen, dass man sich über den Familienaspekt hinaus gegenseitig versichern möchte, es richtig gemacht zu haben.
Für die Enkel wird die kulturelle Rolle wichtiger, die ihre Vorfahren in dem fernen Land spielten. Über eine andere Art zu leben, zu bauen, zu wirtschaften und nicht zuletzt die Schul- und Kirchengemeinschaft zu pflegen, existieren bis heute Zeugnisse in der Dobrudscha.
Das ist für diese deutschen Bürger eine wichtige Erfahrung, wenn sie mit ihren Kindern am Schwarzen Meer auf den Spuren der Großeltern die früheren deutschen Dörfer besuchen.