Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
„Eine Riesenchance für uns“
Vor dem Wm-viertelfinale gegen Schweden gibt sich Fußball-bundestrainerin Martina Voss-tecklenburg ganz entspannt
Rennes. Einige gingen shoppen, andere erkundeten als Touristen die Bretagne – doch am Abend saßen dann alle wieder im Stadion: So ganz ohne Sport wollten die deutschen Fußballerinnen ihren freien WM-TAG nicht verbringen. Auch Bundestrainerin Martina Voss-tecklenburg tüftelte rund um ihren Ausflug in die Hafenstadt Saint-malo am perfekten Plan für den Viertelfinalklassiker gegen Schweden.
„Jeder weiß, dass sie Weltmeister werden wollen. Das wird ein 50:50-Spiel“, warnte die 51-Jährige im Team-quartier nahe Rennes vor dem Duell am Samstag (18.30 Uhr/live im ZDF, DAZN) – wohl wissend, dass Schweden ein absoluter Lieblingsgegner für die Deutschen ist. Die Skandinavierinnen um die langjährige Wolfsburgerin Nilla Fischer, die am Montagabend 1:0 (0:0) gegen Kanada die Oberhand behielten, gewannen zuletzt vor 24 Jahren gegen die Dfb-auswahl. Doch die Bundestrainerin lässt sich von Statistiken nicht in Sicherheit wiegen: „Jede Serie kann irgendwann zu Ende gehen, das zählt nichts“, sagte sie.
„MVT“weiß auch: Der Halbfinal-einzug bei dieser „Tour de France“hat eine immense Bedeutung. Für die Olympia-qualifikation als eines der drei besten europäischen Teams, aber auch für den deutschen Frauenfußball allgemein. „Es ist eine Riesenchance für uns“, betonte Voss-tecklenburg, die auch auf einen Boom nach der WM hofft. „Ich glaube, dass es mit dieser WM, die richtig wahrgenommen wird, eine Nachhaltigkeit in vielen Bereichen geben wird.“Das werde aber auch vom deutschen Abschneiden abhängen.
Trotz des Erwartungsdrucks strahlt die 125-malige Nationalspielerin nach den bisherigen vier Siegen ohne Gegentor eine innere Ruhe aus. „Ich empfinde gar nicht so viel Druck, weil ich der Mannschaft vertraue, sie hat einen enormen Charakter, Willen und Leidenschaft.“
Nicht zuletzt der knappe 2:1 (1:1)-Sieg von Titelverteidiger USA im Achtelfinale gegen Spanien habe gezeigt: „Auch andere Teams machen Fehler. Und ich bin einfach sehr stolz auf unsere Entwicklung, das gibt mir auch eine gewisse Ruhe.“
Dass „Schweden-schreck“Dzsenifer Marozsan nach ihrem Zehenbruch aus dem Auftaktspiel gegen China (1:0) aller Voraussicht nach wieder einsatzbereit ist, stimmt das deutsche Lager zusätzlich hoffnungsfroh. Die Spielmacherin hatte sowohl im Olympia-finale 2016 im Maracana als auch im Em-halbfinale vor sechs Jahren den Unterschied gemacht. Eventuell werde sich aber erst am Spieltag entscheiden, ob „es von Beginn an die Option mit Marozsan gibt, oder ob wir die Option vielleicht erst im Laufe des Spiels ziehen wollen“. Es müsse sich noch zeigen, wie der gebrochene Mittelzeh auf die Belastung im Laufe der Woche reagiert.
Zunächst aber durften sich die Spielerinnen beim Achtelfinale zwischen Europameister Niederlande und Ex-weltmeister Japan im Stadion von Rennes als Fans fühlen. „Es ist wichtig, dass sie mal richtig abschalten können. Sie freuen sich auf dieses andere Wm-feeling“, sagte Voss-tecklenburg. Der Abend ließ sich aber auch zum Scouting nutzen – denn mit dem Sieger könnte es für die DFB-ELF im Halbfinale in Lyon am 3. Juli ein Wiedersehen geben. (sid)
Schweden will Trauma überwinden
Für Schwedens Fußballfrauen gibt es keinen größeren Angstgegner als das deutsche Nationalteam. Seit 1995 haben die Skandinavierinnen in den wichtigen Duellen bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen gegen Deutschland nur Niederlagen kassiert.
Die bitterste Stunde ihrer Historie erlebten sie im Wmfinale in Carson am 12. Oktober 2003, als die jetzige Ard-expertin Nia Künzer in der Verlängerung (98. Minute) mit dem Golden Goal das DFB-TEAM zum 2:1-Triumph und damit zum Titel köpfte.
Für das nordeuropäische Land mit der großen Frauenfußball-tradition war das verlorene Wm-endspiel vor 16 Jahren ein traumatisches Erlebnis. Vergleichbar mit der 1:7-Schmach der Brasilianer im Wm-halbfinale 2014 gegen die Löw-elf.
Nicht umsonst kündigte Schwedens Trainer Peter Gerhardsson, der sich vor dem Achtelfinalsieg gegen Kanada mit Musik des Kanadiers Neil Young eingestimmt hatte, die Auswahl anders wird: „Es wird Rammstein. Es wird hart und schwer, da passt das ganz gut.“(dpa)