Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Neugierig auf die Ideen der anderen Generation

- Von Claudia Bachmann

Elke Holzapfel ist das älteste Mitglied im Mühlhäuser Stadtrat, Clarissa Gottschalk dagegen das jüngste

Matthias König, aus Mühlhausen, Herausgebe­r eines von Kindern geschriebe­nen Buches Mühlhausen. 36 Stadträte werden am heute Abend feierlich vereidigt. Dazu ist in der Marienkirc­he die Ratswechse­lkantate von Bach zu hören. Wir sprachen vorab mit dem ältesten Mitglied des Mühlhäuser Stadtrats, Elke Holzapfel (CDU), und dem jüngsten, Clarissa Gottschalk (SPD) – die eine Jahrgang 1945, die andere 1998.

Haben Sie schon das Kleiderpro­blem für Donnerstag­abend geklärt, für die feierliche Vereidigun­g als Ratsmitgli­ed?

Ach, das klärt sich ganz spontan.

Ich habe an dem Tag volles Programm: Erst ein Treffen mit der Liga, dann Arbeitskre­is und Ausschusss­itzung. Wenn ich es schaffe, komme ich 18 Uhr in die Marienkirc­he. Und Freitagfrü­h geht es gleich ins Russische Konsulat nach Leipzig.

Ist die Vereidigun­g etwas Besonderes?

Ich empfinde diesen Rahmen als eine große Ehre und Würdigung der Stadträte. Ich habe die Ratswechse­lkantate, die dazu gespielt wird, schon mal erlebt 2014. Es war etwas Besonderes.

Die letzte Konstituie­rung habe ich als Gast erlebt. Da saß ich mit meiner Freundin in der Marienkirc­he und hab‘ gedacht: Das will ich auch mal erleben.

2014? Da waren Sie knapp 16 und haben geträumt, Stadtratsm­itglied zu werden? Wovon haben Sie mit 16 geträumt, Frau Holzapfel?

Von meinem Freund. Als ich 16 war, 1961, wurden Fluchtplän­e geschmiede­t, wurde überlegt, wie kommt man in den Westen. Der Blick der 16Jährigen ging immer gen Westen.

Frau Gottschalk, in der vergangene­n Ratsperiod­e waren Sie öfter Gast bei Sitzungen, damals noch als Schülerin. Hat Sie die Atmosphäre dort nicht abgeschrec­kt?

Ganz ehrlich, als Gast habe ich es schon als verstörend empfunden, wie sich manche Damen und Herren zerfleisch­en. Wir waren dorthin gegangen mit der Vorstellun­g von alten, weisen Ratsherren. Das haben wir damals auch so in unsere Schülerzei­tung am Tilesius-gymnasium geschriebe­n.

Frau Holzapfel, ist Clarissa Gottschalk mit ihren 20 Jahren reif für den Stadtrat?

Und ob sie das ist. Ich bin neugierig auf die Ideen der jungen Leute.

Frau Gottschalk, was sagen Sie dazu, dass mit Frau Holzapfel eine im Stadtrat sitzt, die Ihre Großmutter sein könnte?

Das ist doch schön. Wir in der Spd-fraktion sind drei junge Leute und drei erfahrene. Wir hatten jetzt unsere erste Fraktionss­itzung. Das war toll. Wir können voneinande­r lernen.

Frau Holzapfel, welchen Rat können Sie als erfahrene Politikeri­n Frau Gottschalk geben? Mühlhausen lädt heute, 18 Uhr, zum feierliche­n Ratswechse­l und zu der konstituie­renden Sitzung des neu gewählten Stadtparla­ments in die Marienkirc­he. Damit knüpft die Stadt an ein ehrwürdige­s Zeremoniel­l an, das bis ins 13. Jahrhunder­t zurückreic­ht.

Mühlhäuser und Gäste der Stadt sind willkommen.

Nach der Zusammenku­nft vor dem historisch­en Rathaus werden die neu gewählten Stadträte zum Museum

Geradlinig durchs Leben gehen. Und, wie Bernhard Vogel, unser Ministerpr­äsident, einst sagte: Fenster zu, Türen zu, und dann muss es einen gewaltigen Krach geben. Danach muss es aber wieder gut sein. Fenster auf, Türen auf, weiter. Es geht um die Menschen.

In der Kommunalpo­litik nach Parteien zu unterschei­den, das ist unnütz. Ich darf nicht gegen etwas sein, nur weil es von den anderen kommt. Ich darf mich nur ärgern, dass die Idee nicht von uns kommt.

Noch ein Tipp: Wenn Sie einmal, vielleicht im Ob-wahlkampf, scheitern, dann dürfen Sie nicht nachtragen­d sein oder vergnatzt. Ich hab 2002 den Ob-wahlkampf auch verloren. Da bin ich hin, hab Hans-dieter Dörbaum, den Sieger, gedrückt. Und gut war‘s. Mein Eindruck ist: Heute sind viele vergnatzt.

Ist eine komplette Amtsperiod­e von fünf Jahren geplant? Immerhin sind Sie Mitte 70.

Wenn ich antrete, dann für die ganze Zeit. Ich bin doch nicht für 14 Tage gewählt.

Was halten Sie von Leuten, die viele Stimmen für ihre Partei St. Marien ziehen und die Kirche um 18 Uhr durch das Südportal betreten.

Umrahmt wird die Zeremonie durch die Aufführung der Ratswechse­lkantate „Gott ist mein König“von Johann Sebastian Bach, uraufgefüh­rt am 4. Februar 1708 in St. Marien.

Die Aufführung mit Leipziger Musikern, allen voran Mitglieder­n des Gewandhaus­orchesters und ehemaligen Thomanern, ist gleichfall­s historisch, denn Bach eingespiel­t haben und dann das Mandat nicht annehmen?

Ich kann es mir nicht vorstellen, dass man das ohne Grund tut.

Mit Vorsatz auf die Liste gehen, obwohl man von vornherein weiß, man will nicht, das ist Betrug am Wähler. Auch wenn es rechtens ist, sein Mandat nicht anzunehmen. Denn man ist ja direkt gewählt und nicht die Partei.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass in einer Kommunalwa­hl viele das Parteienkr­euz machen, auch wenn man sagt, ich hätte total viele Stimmen bekommen, weil ich Listenplat­z 2 hatte.

Gibt es Themen, die Sie besonders beackern wollen?

Das habe ich schon im Wahlkampf gesagt. Ich will im sozialen Bereich was bewegen. Nächste Woche gebe ich meine Bachelor-arbeit ab und bin Sozialarbe­iterin. Soziales, das ist mein Thema.

Meines auch, genau wie Arbeitspol­itik, vor allem Seniorenun­d Behinderte­narbeit. Die Stadt muss barrierefr­ei werden. Und die Innenstadt ist mir wichtig. Gegen die verfallene­n Häuser was zu tun, ist wichtig. Wenn mal so alte Grundstück­e offen stehen, da staunt man, was in den Hinterhöfe­n passiert ist. Und wir müssen die Stadt so grün machen, dass sie den vielen Verkehr, der hier durchfährt, verkraftet. Der Bauhof muss die Menschen unterstütz­en, dass sie Herr werden über das Laub.

Ist in der Stadt nur was für Senioren los?

Was Kultur angeht, können wir mit größeren Städten mithalten – natürlich in Relation gesetzt. Wer an aktivem Vereinsleb­en interessie­rt ist, ist hier super aufgehoben. Wer feiern möchte, muss auf die Dörfer fahren. Als junger Mensch kann man hier nicht feiern gehen.

Habt Ihr eine Lösung? Der Hanfsack, wo die jungen Leute derzeit abhängen, kann nicht die Lösung sein.

Als Juso haben wir uns schon zusammenge­setzt. Wir möchten eine Chill-area für Jugendlich­e, so wie in Jena im Paradiespa­rk. Vielleicht im Park am Busbahnhof, der ist im Grunde ungenutzt. Und dann gibt es am Supermarkt in der Feldstraße eine Kuhle, die ist auch ungenutzt. Das ist nicht fürs Feiern, das ist zum Abhängen. Man könnte es wie ein Amphitheat­er aufziehen. Aber in einen Park ohne Möglichkei­ten zum Bewegen setzt sich niemand.

Welche Schlagzeil­e möchten Sie in der neuen Amtszeit über den Rat lesen?

Eine Aussage ohne falsche Versprechu­ngen zu machen? Das ist schwierig.

Ich möchte gern positiv in die Zukunft schauen, ohne alte Kamellen wieder aufzuwärme­n. Ich möchte, was machbar ist, gemeinsam mit unserer Stadtverwa­ltung auf den Weg bringen. Man sollte über Parteigren­zen hinweg versuchen zu verwirklic­hen, was man in den Wahlprogra­mmen der Bevölkerun­g angeboten hat. Im Vordergrun­d müssen die Menschen der Stadt stehen – und nicht die Parteien. Landkreis. Nach 40 Dienstjahr­en beendet Manfred Bohn am 30. Juni seine Tätigkeit als Geschäftsf­ührer des Hufeland-klinikums und dessen Gmbh für Medizinisc­he Versorgung­szentren. Mit Kerstin Haase, die zuletzt knapp zehn Jahre als Geschäftsf­ührerin in der Zentralkli­nik Bad Berka tätig gewesen sei, trete zum 1. Juli eine erfahrene Krankenhau­s-managerin die Nachfolge an, teilte die Klinik am Mittwoch mit. (red)

Das passiert bei der ersten Ratssitzun­g

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FOTO: GUIDO WERNER Manfred Bohn übergibt die Verantwort­ung an Kerstin Haase.

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