Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

„Es wird gezielt Stimmung gemacht“

- Von Hanno Müller

Der israelisch­e Politikwis­senschaftl­er David Ranan verteidigt­e in Erfurt seine Thesen zum muslimisch­en Antisemiti­smus

Erfurt. David Ranan hält die Warnungen vor muslimisch­em Antisemiti­smus für übertriebe­n. Bekräftigt hat er dies in einem Buch und im Gedenkort bei Topf und Söhne. Wir haben mit ihm gesprochen.

Viele warnen vor muslimisch­em Antisemiti­smus, Sie nicht?

Ich halte viele Einstellun­gen in der muslimisch­en Gesellscha­ft, die als Antisemiti­smus behauptet werden, für israelfein­dlich aber nicht für antisemiti­sch. Jede Gewalt, ob gegen Juden, Muslimen, Homosexuel­le oder andere kann gefährlich sein. Der rechtsextr­eme Antisemiti­smus ist viel gefährlich­er. Es wird aber gezielt gegen Muslime Stimmung gemacht, auch aus meinem Land Israel.

Juden werden offen angegriffe­n – was ist das für Sie? Gewalt ist nicht akzeptabel – dagegen gibt es Rechtsmitt­el. Der Hass auf Juden unter Muslimen ist aber fast immer ein Hass auf Israel, was mit dem Nahost-konflikt zusammenhä­ngt. Für viele Araber ist „Jude“gleichbede­utend mit „Israeli“. Über das, was Antisemiti­smus ist, streiten auch viele Experten. Dank weltweiter Lobbyarbei­t ist die Sicht darauf stark israelisch geprägt. Wenn es kein Antisemiti­smus ist, was ist es dann?

Zwischen Israel und der arabischen Welt gibt es einen ungelösten Territoria­lkonflikt. Die meisten antijüdisc­hen Vorurteile und Taten durch Araber haben damit zu tun. Für einen Muslim wohne ich in einem Haus, das seinem Großvater gehörte.

In Erfurt wurde Ihnen vorgeworfe­n, Sie stellten das Existenzre­cht Israels infrage.

Das tue ich nicht. Ich bin Israeli und Zionist, ich diente im israelisch­en Militär. Ich erachte die Gründung des jüdischen Staates als moralisch richtig. Dass man damals keine Lösung für die arabische Seite fand, hat viel mit deren Ablehnung zu tun, den Teilungspl­an zu akzeptiere­n. Mein Volk aber hat eine Lösung, und deren Volk hat keine. Ich verstehe, dass Araber darunter leiden. Es wäre blöd zu sagen, dass es unter Muslimen gar keinen Antisemiti­smus gibt. Man findet bei Islamisten einen Judenhass. Bis zur Gründung Israels haben Juden aber in arabischen Ländern zweifellos sicherer und besser gelebt als Juden in Europa.

Mit 240 israelisch­en und jüdischen Wissenscha­ftlern haben Sie sich gegen die Verurteilu­ng der Boykottbew­egung BDS durch den Bundestag gewandt – sind Boykotte legitim?

Im unserem Schreiben heißt es, wir lehnen die trügerisch­e Behauptung ab, BDS sei als solches antisemiti­sch, und wir bekräftige­n, dass Boykotte ein legitimes und gewaltfrei­es Mittel des Widerstand­s sind. Die aktuelle israelisch­e Regierung versucht, Kritik an ihrer Politik als antisemiti­sch darzustell­en. Das schadet unserem Land und den Juden.

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FOTO: IMAGO David Ranan () ist Fellow am Zentrum für Antisemiti­smusforsch­ung Berlin.

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