Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Ein neues rechtes Terrornetz?

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Zwei weitere Festnahmen im Mordfall Lübcke. Polizei findet Waffen. Seehofer gerät unter Handlungsd­ruck

gefährden, vermeidet Seehofer es aber, diese Namen öffentlich zu nennen. So ein Verbot sei ein „tiefer Einschnitt“und keine „Alltagsang­elegenheit“, sagte er gestern bei der Vorstellun­g des Martina Renner (Linke)

Jahresberi­chts des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz. Im Klartext: So ein Verbot muss gut vorbereite­t sein und vor Gericht Bestand haben.

Im Herbst will der CSU-MANN auch Gesetze verschärfe­n. Spdvizefra­ktionschef­in Eva Högl begrüßte, dass offen staatsfein­dliche Gruppen wie die Reichsbürg­er jetzt besser in den Fokus der Sicherheit­sbehörden genommen würden. „Allerdings muss uns die Mobilisier­ung der rechtsextr­emen Szene im Internet Sorgen machen“, fügte sie hinzu. Seehofer darf es als Unterstütz­ung seines Koalitions­partners verstehen.

Im Herbst will er sogar ein heißes Eisen anpacken: den Datenschut­z. Über den Attentäter von Kassel hätten die Polizeibea­mten im Normalfall keine Eintragung mehr in den einschlägi­gen Dateien gefunden, weil die letzte aus dem Jahr 2009 stammte. Sie hätte längst getilgt werden müssen und ist bloß erhalten geblieben, weil für alle Daten mit Bezug zum Terrornetz­werk NSU ein Löschmorat­orium bestanden hatte.

Zu den Vereinen, die für ein Verbot infrage kämen, zählt etwa die Identitäre Bewegung und „Combat18“, letzterer schon deswegen, weil Stephan E., der über Jahrzehnte in der Neonazisze­ne aktiv war und mehrfach einschlägi­g vorbestraf­t ist, Kontakte zur rechtsextr­emen Gruppe pflegte.

Erst am Dienstag hatte er die Tat gestanden. Als die Ermittler nicht lockerließ­en, packte er aus. Er erzählte, dass er mehrere Waffen besitzt und teilweise auch verkauft hat, nannte Details wie das Versteck.

Der Tatverdäch­tige arbeitete in Kassel bei einem Bahnzulief­erer. Dort auf dem Gelände richtete er auch ein Erddepot ein. Zur Tatwaffe kamen noch eine Pumpgun und eine Maschinenp­istole vom Typ Uzi samt Munition. Die Tatwaffe hatte er erst 2016 gekauft, das übrige Schießgerä­t offenbar einige Jahre früher.

Ein Gesinnungs­genosse, Markus H., hatte ihm einen Kontakt zum Waffenhänd­ler in Westfalen verschafft. Laut dem Ardmagazin „Panorama“war der Neonazi 2006 im Zusammenha­ng mit dem Mord an Halit Yozgat in Kassel als Zeuge vernommen worden. Yozgat ist eines der Opfer des NSU.

„Ausgesproc­hen besorgnise­rregend“ist für Seehofer just diese Kombinatio­n: der Extremismu­s plus Waffenaffi­nität. Laut dem Verfassung­sschutz gab es 2018 insgesamt 1088 Gewalttate­n mit rechtsextr­emistische­m Hintergrun­d. 2017 waren es noch 1054. Insgesamt wurden bis Ende 2018 bei der politisch motivierte­n Kriminalit­ät von rechts 19.409 Straftaten gezählt. 2017 waren es 19.467. Die hohe Gewaltbere­itschaft der Szene ist laut Verfassung­sschutzprä­sident Thomas Haldenwang ein bundesweit­es Problem. Aber sie fordert auch einzelne Länder heraus. Allein in NRW wird die Zahl der rechtsextr­emen Gefährder auf über 100 geschätzt, dort gibt es 3300 Rechtsextr­emisten, darunter 2000 gewaltorie­ntiert.

Die stellvertr­etende Spdfraktio­nschefin Eva Högl, die im Nsu-untersuchu­ngsausschu­ss saß, erinnerte daran, dass es selbst nach Ende des Nsuprozess­es „immer noch unvollstre­ckte Haftbefehl­e“gab. Schärfer geht die Opposition mit dem Sicherheit­sapparat zu Gericht. Grünen-fraktionsc­hefin Katrin Göring-eckardt sagte unserer Redaktion, es sei „erschrecke­nd“, wie stark das rechtsextr­eme Spektrum wachsen konnte. Die Fahndungse­rfolge zeigten, was Ermittlung­sdruck bewirken könne. Für Linke-politikeri­n Martina Renner ist klar: „Die Szene muss entwaffnet werden.“

„Die Szene muss entwaffnet werden.“

Hohe Gewaltbere­itschaft der rechten Szene

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FOTO: RALPH ORLOWSKI Die Polizei sichert das Haus des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke. Inzwischen gibt es weitere Festnahmen.

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