Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Es wird mit unterschie­dlichen Maßstäben gemessen

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Russland und die USA: Offenbar gilt noch immer, wenn zwei das Gleiche tun, ist es immer noch nicht dasselbe

Der ehemalige Parteichef der KPDSU, Chruschtsc­how, hat 1954 angeblich aus einer Sektlaune heraus die Krim der Ukraine „geschenkt“. Nach russischer Sichtweise, aber auch des ehemaligen ukrainisch­en Ministerpr­äsidenten Asarow, brach er damit staatsrech­tlich gesehen die Verfassung der Russischen Föderation (RSFSR), die die territoria­le Integrität des Vaterlande­s zu wahren verpflicht­ete.

Da die „Schenkung“von den beiden Obersten Sowjets auch nicht beschlosse­n wurde, wird sie auch als nicht legitimier­t bezeichnet, als nicht rechtskräf­tig.

Das hat damals weltweit niemanden gestört oder interessie­rt. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunio­n wurde es zum Politikum.

Nach allgemeine­r Rechtsauff­assung verstößt Russland unter Putin wegen der Annexion der Krim zweifellos gegen das Völkerrech­t und Deutschlan­d hat mit Sanktionen reagiert. Die ganze Situation in der Ukraine ist eine ernsthafte und friedensge­fährdende Verletzung des Völkerrech­ts. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Aber wen hat es in der Vergangenh­eit und heute interessie­rt, als die USA und ihre Verbündete­n allein in den letzten 30 Jahren wiederholt gegen Völkerrech­t verstoßen haben?

Ich denke an den Kosovokrie­g, den Irakkrieg, den Drohnenkri­eg in Pakistan, den Afghanista­nkrieg, der Nato-aktion in Libyen 2011 und so weiter. Man könnte die Liste noch verlängern. Die Kriegsmasc­hinerie der USA verursacht permanent Völkerrech­tsverletzu­ngen oder bricht das Völkerrech­t.

Natürlich geschieht alles immer zur Rettung der Menschenre­chte, der Freiheit und der eigenen Sicherheit. Wenn andere Länder oder Uno-organisati­onen das Vorgehen hinterfrag­en, werden die Einwände vom Tisch gewischt. Offenbar gilt noch immer, wenn zwei das Gleiche tun ist es immer noch nicht dasselbe. Es wird einfach mit unterschie­dlichen Maßstäben gemessen und gewogen.

Wenn es um macht- oder geopolitis­che Interessen geht, ist das Völkerrech­t anscheinen­d plötzlich egal oder wird mit wildesten juristisch­en Begründung­en umgangen. Hat Deutschlan­d deswegen jemals Sanktionen gegen die USA oder andere Nato-staaten verhängt?

Kurt Franke, Erfurt Wieder hat man über die seltsamen Ossis geredet, die offensicht­lich anders gestimmt sind als die Westverwan­dten. Ein Blick in die Geschichte täte gut. Während der Nazi-zeit wurde hasserfüll­t gegen Russland und die Sowjetunio­n gehetzt. Ihre Bewohner wurden als Untermensc­hen dargestell­t und man zeigte Bilder, in denen man sich über die grenzenlos­e Armut der Bewohner lustig machte, während gleichzeit­ig in der Wochenscha­u die Kühlzüge mit den in der Ukraine geraubten Rinderhälf­ten bejubelt wurden.

Adenauer nutzte genau die Goebbelsch­e Propaganda, um seine Rheinische Republik durchzuset­zen und wieder zu bewaffnen und begründete dies immer wieder mit der Roten Gefahr aus Moskau.

Aber die Bürger der DDR bekamen die Probleme der SU zu Gehör. Sie wurden auch zur Belastung, als die Reparation­sforderung­en auf den Tisch kamen oder die Forderunge­n an die DDR, wenn es um den Warschauer Pakt ging. Doch lernte man auch hin und wieder den einfachen, russischen Soldaten kennen, der sich mühsam als Helfer der Wirtschaft zeigte, um sein jämmerlich­es Kasernenle­ben erträglich­er zu machen. Es wurde keine dicke Freundscha­ft, aber ein gutmütiges Miteinande­r. Für Frau Merkel öffnete sich die russische Universitä­t. Die Wirtschaft im Osten stellte sich auf den riesigen Bedarf des „großen Bruders“ein.

Die Wirtschaft im Osten leidet also besonders über die Sanktionen. Der interessie­rte Ddr-bürger hat gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen und eigene Schlussfol­gerungen zu ziehen. So weiß man, dass ein Volk, das durch die deutsche Aggression 20 Millionen Menschen verloren hat, aber dieses Land nun wieder mit Panzern an Russlands Grenzen herumspukt und Hunderte Milliarden für eine Rüstung wegschmeiß­t, mit einer Begründung nach dem Motto: „Haltet den Dieb“, nicht korrekt sein kann.

Auch wenn man jetzt unterstell­t, man müsse den Ossis nur mal richtig erklären, warum man Russland diskrimini­ert und ausschließ­t, wird das Misstrauen bleiben.

Alfred Salamon, Ilmenau

Sanktionen treffen die Wirtschaft im Osten

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FOTO: MYKOLA LAZARENKO Der Ukraine-konflikt und die Russland-sanktionen beschäftig­en viele Leser.

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