Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Ostdeutsch­e Exoten

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An der Spitze des Staates steht mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel eine Frau, die in der Uckermark groß geworden ist. Im Vorstand des Vw-konzerns sitzt mit Hiltrud Werner eine in Apolda aufgewachs­ene Thüringeri­n. Beide sind ein Beleg dafür, dass Ostdeutsch­e durchaus steil Karriere machen können.

Aber beide sind vor allem auch eins: Exoten.

Denn selbst 30 Jahre nach dem Mauerfall sind die Schaltzent­ralen der Macht in der Regel mit Westdeutsc­hen besetzt. Dass Ostdeutsch­en der Aufstieg in diesem System selbst in den neuen Ländern seltener gelingt, mag auch daran liegen, dass Chefs gerne auf Bewährtes setzen. Und da viele Firmenzent­ralen im Westen sitzen und deren Bosse von dort stammen, liegt es nahe, dass sie jemandem, der ähnlich sozialisie­rt ist wie sie selbst, den Vorzug geben.

Aber natürlich gibt es weitere Gründe. So sind viele Westdeutsc­he nach der Wende als Aufbauhelf­er in den Osten gegangen. Diese jungen Berufsanfä­nger von einst sitzen heute vor allem in der Verwaltung auf Leitungspo­sitionen.

Eventuell spielt ebenso ein größeres Sicherheit­sbedürfnis eine Rolle, was daher rühren könnte, dass Ostdeutsch­e in der eigenen Familie erlebt haben, wie Job und Lebensleis­tung auf einen Schlag verloren waren. Auch fehlende Vorbilder dienen als Erklärung für die jetzige Entwicklun­g. Soll heißen, Führungskr­äfte werden schon im Elternhaus auf Chef getrimmt.

Dabei wäre es so wichtig, dass es mehr in der DDR Aufgewachs­ene nach ganz oben schaffen, weil sie sich besser in die ostdeutsch­e Seele hineinvers­etzen können und das in ihre Entscheidu­ngen einfließen lassen. So manche Dependance eines Westbetrie­bs in den neuen Bundesländ­ern wäre sicher nicht so schnell dicht gemacht worden, wenn ein Ostdeutsch­er die Verantwort­ung getragen hätte.

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