Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Dem Osten fehlen die einheimischen Führungskräfte
Ostdeutsche sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Das findet einer Umfrage zufolge eine Mehrheit der Thüringer
Erfurt. Die deutliche Mehrheit der Thüringer ist der Auffassung, dass in den neuen Bundesländern ostdeutsche Führungskräfte fehlen. Das geht aus einer Umfrage des Erfurter Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag dieser Zeitung hervor. Demnach meinen 41 Prozent der Befragten, dass es „deutlich zu wenige“Ostdeutsche hierzulande in Spitzenpositionen schaffen, 25 Prozent geben an, dass es „eher an diesen Führungskräften fehlt“. Lediglich 17 Prozent sind anderer Meinung.
16 Prozent wissen es nicht oder können es nicht beurteilen. Darunter sind vor allem jüngere Befragte zwischen 18 und 29 Jahren. Bei ihnen ist auch die Ansicht, dass ostdeutsche Führungskräfte in den neuen Bundesländern weniger stark vertreten sind mit 52 Prozent geringer ausgeprägt als bei jenen mittleren Alters (63 bis 65 Prozent) oder der ältesten Befragtengruppe ab 60 Jahre (72 Prozent).
An der Umfrage nahmen 1010 Personen aus Thüringen ab 18 Jahren zwischen dem 16. und 23. September telefonisch oder online teil.
Einen Mangel an ostdeutschen Spitzenleuten in ihrer Heimat sehen dabei vor allem AFD- und Linke-wähler (81 und 79 Prozent). Bei der FDP kommen 51 Prozent zu diesem Schluss, bei der SPD 57, den Grünen 59 und der CDU 61 Prozent.
„Das Ergebnis der Fragen zu ostdeutschen Führungskräften zeigt deutliche Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Befragten, aber auch zwischen AFD- und Linke-wählern auf der einen und den Wählern von CDU, SPD, Grünen und FDP auf der anderen Seite. Es dokumentiert damit ein Stück weit die besondere Ost-affinität, die der Linken und der AFD zugesprochen wird“, sagt Insa-chef Hermann Binkert dieser Zeitung.
Je älter die Befragten sind, desto häufiger sind sie der Meinung, dass es Ostdeutsche schwerer haben, in Ostdeutschland Karriere zu machen, weil die Anzahl an westdeutschen Führungskräften im Osten deutlich überwiegt: Während 41 Prozent der jüngsten Befragten zwischen 18 und 29 Jahren zustimmen, steigt der Anteil kontinuierlich bis auf 57 Prozent der 50- bis 59-Jährigen und dann stark auf 74 Prozent der ab 60-Jährigen.
Auch hier sind sich Linkeund Afd-wähler einig: 71 beziehungsweise 70 Prozent sagen, dass es Ostdeutsche wegen der Mehrheit an westdeutschen Führungskräften schwerer haben, im Osten Karriere zu machen. Auch bei SPD- (59 Prozent) und Cdu-wählern (54 Prozent) stimmt die Mehrheit dem zu. Grüne- und Fdp-wähler sind dagegen häufiger der Meinung, dass hier kein Einfluss besteht (49 und 56 Prozent).
Dass in der DDR Aufgewachsene 30 Jahre nach dem Mauerfall noch zu den Exoten unter den Führungskräften in ganz Deutschland gehören, belegt auch eine noch unveröffentlichte Studie der Universität Leipzig im Auftrag von WDR und MDR, über die das „Handelsblatt“berichtet. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass nur 4,2 Prozent der Elitepositionen in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft von Menschen mit Ost-hintergrund besetzt sind, dabei leben in den neuen Bundesländern 15 Prozent aller Deutschen. In Ostdeutschland besetzen Ostdeutsche nur ein Viertel der Top-posten. Unter den 100 größten deutschen Firmen gibt es gerade einmal zwei Vorstandschefs aus dem Osten. Kein einziger Rektor oder Präsident der 81 öffentlichrechtlichen Hochschulen in Deutschland stammt dem Centrum für Hochschulentwicklung zufolge aus dem Osten.
Leitartikel