Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Thüringer Agrarstruktur wird heiß diskutiert
Beim Protest „Wir haben es satt“spricht die Umweltministerin als wahlkämpfende Grüne. Landwirtschaftsministerin Keller kommt nicht. Protestzug durch Erfurt
Erfurt. Dieser Erfolg geht auf die intensive Vorbereitung zurück. Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) hatte im Vorfeld der Demo „Wir haben es statt“am Samstag in Erfurt ordentlich die Werbetrommel gerührt – und damit deutlich stärker mobilisiert, als das viele erwartet haben.
Für eine enkeltaugliche Landwirtschaft gingen Hunderte auf die Straße. Während die Veranstalter von etwa 1500 Teilnehmern sprachen, hatte die Erfurter Polizei allerdings nur 800 gezählt. Beim Demonstrationszug mit Traktoren durch die Stadt kam es teils zu erheblichen Verkehrsbehinderungen auf dem Juri-gagarin-ring. Die Arbeit der ABL konzentriert sich vor allem gegen Großbetriebe und das sogenannte Landgrabbing. Aber auch bäuerliche Existenzgründer stehen ganz oben auf der Agenda. Und die Politik hat das Thema im Landtagswahlkampf ebenfalls für sich entdeckt. Jetzt, wenige Wochen vor dem Urnengang, hat Birgit Keller (Linke), die für Landwirtschaft zuständige Ministerin, ein Agrarstrukturgesetz angekündigt – nach der Wahl. Am Samstag wurde Keller bei den Bauernprotesten allerdings nicht gesehen.
Ihre Kabinettskollegin, Umweltministerin Anja Siegesmund, war da. Natürlich als die wahlkämpfende grüne Spitzenkandidatin trug sie ihre Botschaft gegen Massentierhaltung offen zur Schau – auf ihrem Shirt stand „Die Tierfabrik ist eine Sauerei“.
Was sie denn erreichen wolle? Auch die Grüne will ein Agrarstrukturgesetz. „Wer Land will, der muss es auch bekommen“, sagt sie. Analog zur bereits in diesem Jahr eingeführten Schaf-ziegen-prämien will die Jenaerin auch eine Weidetierprämie für Kühe. Und – das ist ihr dritter großer Punkt – es solle ein Existenzgründerprogramm für Junglandwirte geben. All das liegt allerdings in der Zuständigkeit der Landwirtschaftsministerin. Ob sie diesen Bereich in der nächsten Legislatur für ihr Ministerium beanspruchen wolle, sollten die Grünen wieder Teil einer Regierung sein? Siegesmund lächelt. „Das werden wir sehen.“
Auf dem Anger haben die Verbandsvertreter nach der Demo – die 50 Traktoren wurden vor dem Angerkaufhaus geparkt – politisch diskutiert. Cdu-landwirtschaftsexperte Markus Malsch erklärte, dass die Landwirtschaft seiner Ansicht nur in einem Miteinander der kleinen und großen Betriebe funktionieren kann. Genau daran glauben die Bauern allerdings nicht – weil sie zu viel staatliche Förderung für die Großbetriebe wähnen und den Bauernverband als Lobbyverband für diese Betriebe kritisieren.
Die Linke-landeschefin Susanne Hennig-wellsow will mit ihrer Partei das Thema Agrarstruktur angehen: „Das Land, was in Thüringen ist, muss auch in Thüringen bleiben.“