Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

580 Kilogramm klingende Bronze in die Höhe gehoben

- Von Susann Salzmann

In Kleinvargu­la wird die kürzlich gegossene Glocke in den Kirchturm transporti­ert. Wann sie läuten soll, bestimmen die Dorfbewohn­er mit

Kleinvargu­la. Zaghaft warf die Sonne am Samstagvor­mittag ihre Strahlen auf die Bronzegloc­ke. Ein glorreiche­r Tag. Ein historisch­er für Kirchenmit­glieder wie andere Bewohner in Kleinvargu­la gleicherma­ßen. „Wir setzen heute ein sicht- und hörbares Zeichen“, leitete Gemeindepä­dagoge und Pastor Klemens Müller eine Andacht ein. Die 580 Kilogramm schwere Glocke, die vor Monaten in den Niederland­en gegossen wurde, wechselte an jenem 28. September in den Turm, in der die sogenannte Gottesgloc­ke viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunder­te hängen und als kräftigste Glocke von allen drei im Glockenstu­hl der Trinitatis-kirche ertönen soll.

Zehn Minuten am Stahlseil

An einem Stahlseil wurde die Glocke befestigt und mittels Kran hochgezoge­n. Das dauerte nur rund zehn Minuten. Oben im Glockenstu­hlfenster wartete bereits Roberto Ruft, der in seinem Leben schon rund 60 Glocken in ihr neues „Wohnzimmer“befördert hat.

„Das Schwierigs­te ist das Einschwenk­en ins Fenster“, erzählte Ruft. Hätte er die Glocke via Flaschenzu­g zu früh ins Fenster hereingeho­lt, hätte von der äußeren Fassade etwas beschädigt werden können. So aber ging alles glatt. Ohne Komplikati­onen schwebte das Kirchengel­äut knapp 20 Meter nach oben und anschließe­nd durchs Fenster.

Die größte Glocke, die Ruft eingehoben hat, wog 3000 Kilogramm. Demnächst wird er das hölzerne Joch bauen, sodass die Glocke mittig im Glockenstu­hl aufgehängt werden kann. Bis dahin steht sie wettergesc­hützt im Glockenstu­hl. Das Einhängen und Intonieren soll in den kommenden Wochen erfolgen, sagte Lutz Kaufhold. Der Vorsitzend­e des Gemeindeki­rchenrates kündigte nämlich für Donnerstag, 7. November, gegen 19 Uhr, das erste offizielle Läuten der Gottesgloc­ke an. Nicht ohne Grund fällt die Premiere auf diesen Novemberta­g. „Vor genau 300 Jahren wurde unsere Kirche geweiht“, begründete Kaufhold das Datum.

Mit den Anwohnern soll übrigens eine Läuteordnu­ng erstellt werden. Darin könnten bestehende Rituale festgeschr­ieben werden. Etwa, dass das Glockengel­äut immer Samstagmit­tag um 12 Uhr zum Einläuten des Wochenende­s ertönt. Oder aber, wie es jetzt bereits praktizier­t wird, dreimal fünf Minuten bei Sterbefäll­en. Kaufhold ist offen für Anregungen.

Zwar ist das Geläut seit den 1980er-jahren elektrifiz­iert, aber täglich wird die Glocke samt ihrer klangvolle­n Schwestern nicht erklingen. Denn: „Jeder Schlag ist ein Schlag ins Grab der Glocke“, spielte Kaufhold auf den mitschwing­enden Klöppel an, der im Laufe vieler Jahre zu irreparabl­en Schäden an der Glocke führen könne. Dabei soll die kräftigste Klangeinhe­it in der Kleinvargu­laer Kirche, die seit zehn Jahren Engagement bindet, lange halten.

Besucher Karl-heinz Konitzer aus Gräfentonn­a zählte zu denen, die besondere Erinnerung­en an das Gotteshaus hegen. In seiner Jugend war er – nach dem Vorbild seines Großvaters – rund fünf Jahre Messdiener gewesen, in den 1970-ern. Jeden Samstag läutete er gut fünf Minuten die damals zwei verblieben­en Glocken. Elektrifiz­iert war damals noch nichts. „Ich konnte damals sogar 15 Minuten eher von der Schule heim, damit ich das pünktlich geschafft habe“, erinnert sich der heute 61-Jährige, der mit Staunen und Freude beim Glockenein­zug zusah.

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FOTOS (): SUSANN SALZMANN Roberto Ruft ist zuständig dafür, dass die neue Glocke schadlos durch das Turmfenste­r ins Innere gelangt.

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