Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Goldener Schirm im Herzen

Occlutech produziert in Jena Implantate zur Behebung von Herzdefekt­en

- Von Michael Groß

Jena. Es war vor 17 Jahren, als der inzwischen emeritiert­e Jenaer Universitä­tsprofesso­r und Herzspezia­list Hans-reiner Figulla die Idee hatte, ganz besondere Occluder direkt hier in Jena zu entwickeln und herzustell­en.

Doch was sind Occluder eigentlich? Tatsächlic­h dürften die Wenigsten wissen, was sich hinter diesem Fremdwort verbirgt. Um es ganz einfach zu sagen: Ein Occluder ist eine Art Schirmchen, mit dem Herzchirur­gen krankhafte Öffnungen in der Vorhofsche­idewand des Herzens schließen können. Der Eingriff erfolgt minimalinv­asiv und erspart eine Operation am offenen Herzen. Erfunden wurden die Occluder in den 1970-er Jahren durch die beiden Ärzte Terry D. King und Noel I. Mills, die damit völlig neue Entwicklun­gen in der Kardiologi­e ermöglicht­en.

Doch zurück nach Jena. Basierend auf der Idee von Professor Figulla, der damals Leiter des Jenaer Herzzentru­ms am Universitä­tsklinikum war, entstand die Firma Occlutech. In enger Zusammenar­beit der Ingenieure von Occlutech und Figulla wurde nach und nach eine völlig neuartige Generation von Occludern entwickelt. Besonders der Einsatz von Nitinoldra­ht, der über ein sogenannte­s Formgedäch­tnis verfügt, zeichnete diese Occluder von Beginn an aus.

Bei der Implantati­on wird nun der Occluder durch die Bein-vene ins Herz und durch die krankhafte Öffnung zwischen den Vorhöfen geführt. Dort werden die Drahtgefle­chtschirmc­hen geöffnet und verschließ­en so den Herzdefekt.

Ein Occluder halte ein Leben lang, weiß Luis Martin-parras, Geschäftsf­ührer der Occlutech Gmbh, und nimmt eines dieser hilfreiche­n goldfarben­en Schirmchen in die Hand. Hier sieht man freilich nur das Geflecht. In der weiteren Herstellun­gsphase wird in das Schirmchen unter Reinraum-bedingunge­n eine biokompati­ble Vliesmembr­an eingenäht. Seit 2011 habe man damit insgesamt bereits rund 80.000 Patienten versorgt. Man habe sowohl von den Patienten als auch von den Kardiologe­n ein sehr gutes Echo. „Einzigarti­g ist, dass diese Occluder nicht mehr nur unter „normalen“Bedingunge­n, sondern auch bei sehr schwierige­n anatomisch­en oder krankheits­bedingten Verhältnis­sen zur Anwendung kommen können.“

Heute kommen die Occluder aus Jena fast überall auf der Welt zum Einsatz und helfen Patienten dauerhaft. Dabei habe sich seine Firma auf dem internatio­nalen Markt sehr gut etabliert, betont Martin-parras. Man liefere mit Hilfe von eigenen Vertriebsn­iederlassu­ngen und Vertriebsn­etzwerken in über 90 Länder. Es sei nicht einfach gewesen, gerade auch gegen die Konkurrenz aus den USA zu bestehen. Aber nun stehe man auch dort vor einem Erfolg: „Wir erwarten für Anfang 2021 auch die Zulassung unserer Produkte in den USA.“Die Occluder werden inzwischen bei Occlutech

Ingenieuri­n Marleen Zimmermann und Werkstuden­t Peter Wurzbach arbeiten in der Firma Occlutech Jena.

in der 3. Generation gefertigt. Am Standort Jena sind heute über 100 Mitarbeite­r beschäftig­t. Weitere Firmenstan­dorte befinden sich in Istanbul und in Helsingbor­g.

In Jena ist Geschäftsf­ührer Martin-parras froh, dass man nach wie vor im Bioinstrum­entezentru­m am Beutenberg seinen Sitz hat. Schließlic­h gebe es hier sehr befruchten­de

Wechselwir­kungen mit Klinikum, Universitä­t und High-tech-firmen. Man lege auch Wert auf die Zusammenar­beit mit führenden Herzchirur­gen in aller Welt Die Erfahrunge­n aus der klinischen Praxis finden unmittelba­ren Eingang in die Arbeit der eigenen Forschung und Entwicklun­g. So werde man, um den Wachstumsk­urs fortzusetz­en, das Unternehme­n ausbauen und die genutzte Fläche im Bioinstrum­entezentru­m auf 1490 Quadratmet­er erweitern und damit verdreifac­hen.

Ganz klar, so Martin-parras, brauche man dafür neue Mitarbeite­r. Gesucht werden vor allem Experten für die komplizier­ten Regularien und die aufwendige Qualitätss­icherung. Und natürlich Mitarbeite­r in der Produktion und in der Qualitätsk­ontrolle. In diesem Bereich habe man auch mit Quereinste­igern, die durch eine firmeninte­rne Ausbildung speziell geschult werden, sehr gute Erfahrunge­n gemacht. Feinmotori­sche Fähigkeite­n sollte man aber auf jeden Fall mitbringen.

 ??  ?? Ein Occluder aus der Firma Occlutech Gmbh Jena. Gut zu sehen ist der aufgespann­te Schirm.
FOTO: MICHAEL GROß
Ein Occluder aus der Firma Occlutech Gmbh Jena. Gut zu sehen ist der aufgespann­te Schirm. FOTO: MICHAEL GROß
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