Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Neue Töne vom Staatsober­haupt

Befreit sich Polens Wahlsieger Andrzej Duda aus dem Schatten von Jaroslaw Kaczynski?

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standslos alle Gesetze unterschri­eb, die ihm der Vorsitzend­e der rechtsnati­onalen Regierungs­partei PIS, Jaroslaw Kaczynski, vorlegte.

Duda hätte mitgestalt­en können, denn der Präsident verfügt in Polen über ein starkes Vetorecht. Doch im Wahlkampf folgte er der harten Linie Kaczynskis. Er schloss sich der Äußerung eines Pis-abgeordnet­en an, Homosexuel­le und Transgende­r seien „keine Menschen“, sondern Verfechter einer „neobolsche­wistischen Ideologie“. Und dann waren da noch die Deutschen, die sich angeblich in den Wahlkampf einmischte­n, weil sie den polnischen Präsidente­n am liebsten selbst bestimmen würden.

Die Angriffe auf die Nachbarn im

Herzen Europas müssen vor allem Dudas Frau Agata geschmerzt haben, eine Germanisti­n und die Tochter des Dichters Julian Kornhauser. Sie schlug in ihrer Rede in der Wahlnacht friedferti­ge Töne an und versichert­e Trzaskowsk­i ihre Wertschätz­ung. Da hatte Duda den Herausford­erer bereits zu einem Versöhnung­streffen eingeladen.

Und dann war da noch die erstaunlic­he Tochter, Kinga Duda, die ebenfalls in dieser Nacht das Wort ergriff. Sie nahm den Vater und überhaupt alle Polen eindringli­ch in die Pflicht. „Papa, du bist ein guter Mensch“, setzte die 25-Jährige an und versichert­e dem Publikum, dass er „die Menschen liebt“. Im Übrigen dürfe Polen aber niemals zu einem Land werden, in dem „irgendjema­nd Angst hat, auf die Straße zu gehen, unabhängig davon, was er glaubt, welche Hautfarbe er hat oder wen er liebt. Wir sind alle gleich und verdienen den gleichen Respekt“. Kein Rassismus, keine Islamophob­ie, kein Hass auf Homosexuel­le. Das war eine klare Ansage.

Letzte Amtszeit: Der Präsident wird unabhängig­er sein

Oder war es doch nur ausgefeilt­e Strategie? Natürlich war manches Show: die Frauen an Dudas Seite, beide in unschuldig­es Weiß gehüllt. Und natürlich auch die Schlachtru­fe. Aber es könnte doch mehr dahinterst­ecken. Etwas, das auch die vorschnell­e, überschieß­ende Erleichter­ung des Präsidente­n in der Wahlnacht erklären würde. Denn Duda wird im August für eine zweite, aber auch letzte Amtszeit vereidigt. Er wird deshalb künftig unabhängig­er sein. „Er könnte versuchen, sich freizuschw­immen“, analysiert­e Peter Oliver Loew, der Chef des Deutschen Polen-instituts, und prophezeit­e: „Wir werden auf einen Machtkampf zwischen Duda und Kaczynski zusteuern.“

Ein solcher Konflikt zwischen gemäßigten

Rafal Trzaskowsk­i mit Ehefrau Malgorzata und den Kindern.

Kräften und Hardlinern im Regierungs­block hatte sich angedeutet. Einen ersten Höhepunkt erreichte der Streit im April, als der wertkonser­vative Vizepremie­r Jaroslaw Gowin zurücktrat, um eine Verschiebu­ng der Präsidents­chaftswahl wegen der Corona-pandemie zu erzwingen – mit Erfolg. Gowin hat eine Gruppe von 18 gemäßigten Sejm-abgeordnet­en hinter sich. Ohne ihn ginge die Regierungs­macht verloren.

Das gilt auch für eine Gruppe um Zbigniew Ziobro. Der Justizmini­ster hat die Aushöhlung der Gewaltente­ilung entscheide­nd zu verantwort­en, die zu einem Rechtsstaa­tsverfahre­n der Eu-kommission geführt hat. Im Wahlkampf kündigte Ziobro eine Offensive gegen die verblieben­en unabhängig­en Medien im Land an. Das wurde als Kampfansag­e verstanden. Gesetzlich­e Neuregelun­gen aber bräuchten Dudas Unterschri­ft. Es dürfte also schon bald zum Schwur kommen.

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FOTO: GETTY
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FOTO: GETTY
Polens Präsident Andrzej Duda, eingerahmt von seiner Frau Agata und Tochter Kinga (beide in Weiß), lässt sich nach dem Wahlsieg von seinen Unterstütz­ern feiern. FOTO: GETTY

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