Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Wie geht es weiter in Thüringen?
Fragen und Antworten zum politischen Durcheinander im Landtag
Das sogenannte konstruktive Misstrauensvotum der AFD ist gescheitert. Der Linke Bodo Ramelow bleibt Ministerpräsident, seine Regierung arbeitet weiter. Doch sonst ist gerade nicht viel klar im politischen Thüringen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Seit der Landtagswahl 2019 sind Mehrheiten ohne Beteiligung von Linke oder AFD unmöglich. Auch die rot-rot-grüne Landesregierung hat keine Mehrheit im Parlament mehr. Linke, SPD, Grüne fehlen vier Stimmen, die sie sich von CDU oder FDP besorgen müssen. Ohne diese Stimmen können keine Gesetze verabschiedet werden – darunter auch das zentrale anstehende Gesetz, der Landeshaushalt für das kommende Jahr.
Aber das war doch schon bisher so. Was hat sich geändert?
Nach dem Eklat um die Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten hatte sich Rot-rot-grün mit der CDU auf einen Stabilitätspakt geeinigt. Darin wurde vereinbart: Die Wiederwahl von Ramelow zum Regierungschef, der gemeinsame Beschluss des Haushalts und Neuwahlen im Jahr 2021. Doch nachdem zuletzt die nötige Zweidrittelmehrheit
zur Auflösung des Landtags ungewiss schien, wurde die Neuwahl abgesagt. Aus jetziger Sicht heißt das: Es geht irgendwie bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2024 weiter.
Kann die CDU nicht einfach weiter mit Rot-rot-grün kooperieren? Das hätte Ramelow gerne. Doch Cdu-fraktionschef Mario Voigt erklärte, dass der Stabilitätspakt nicht verlängert werde. „Jegliche Zusammenarbeit“sei beendet. Die Koalition müsse sich die Mehrheiten für jedes Gesetz einzeln suchen.
Hat nicht die FDP genügend Stimmen, um Rot-rot-grün zu stützen? Theoretisch Ja. Aber bisher kam es nie zu offiziellen Gesprächen über eine Zusammenarbeit, weil sich ja schon zeitweilige Partner gefunden hatten. Außerdem war nach der Wahl Kemmerichs das Misstrauen zwischen der Koalition und den Liberalen noch größer als zwischen Koalition und Union. Ob sich das Verhältnis bessert, ist ungewiss, zumal die FDP davorsteht, durch den Austritt einer Abgeordneten ihren Fraktionsstatus nebst Zuschüssen und Antragsrechten zu verlieren.
Also fällt die FDP als Partner aus? Abwarten. Ramelow und Kemmerich sind informell längst wieder im Gespräch. Ein möglicher Handel: Rot-rot-grün unterstützte die FDP dabei, einen Gruppenstatus zu bekommen, den die Geschäftsordnung des Parlaments bisher nicht vorsieht. Im Gegenzug könnten die Liberalen für den Beschluss des wichtigen Landesetats 2022 sorgen.
Was ist denn daran so wichtig? Der Landeshaushalt regelt alle Ausgaben Thüringens, zuletzt waren es um die elf Milliarden Euro. Ohne Etat begänne die vorläufige Haushaltführung; das heißt, die Gehälter von Lehrern, Polizisten und Bediensteten würden weitergezahlt. Aber es gäbe keine Investitionen, Zuschüsse an Verbände flössen bestenfalls eingeschränkt.
Und wenn der Haushalt trotzdem scheitert?
Für diesen Fall hatte Bodo Ramelow die Vertrauensfrage angekündigt. Falls er die Abstimmung verlöre und keine Fraktion einen Ersatzkandidaten aufstellt, käme es zur Neuwahl.
Allerdings dürfte die AFD, so wie vorige Woche beim konstruktiven Misstrauensvotum, die Gelegenheit nicht verstreichen lassen und wieder die Ministerpräsidentenwahl beantragen. Sie würde dann wohl nur wieder zur Bestätigung Ramelow führen – und den prekären Zustand verlängern. Dass die Werteunion, ein rechter Cdu-verein, dazu aufrief, zur nächstbesten Gelegenheit mit der AFD einen Nachfolger für den Linken zu wählen, ist nur eine radikale Minderheitsposition innerhalb der Partei.