Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Wie geht es weiter in Thüringen?

Fragen und Antworten zum politische­n Durcheinan­der im Landtag

- Von Martin Debes

Das sogenannte konstrukti­ve Misstrauen­svotum der AFD ist gescheiter­t. Der Linke Bodo Ramelow bleibt Ministerpr­äsident, seine Regierung arbeitet weiter. Doch sonst ist gerade nicht viel klar im politische­n Thüringen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Seit der Landtagswa­hl 2019 sind Mehrheiten ohne Beteiligun­g von Linke oder AFD unmöglich. Auch die rot-rot-grüne Landesregi­erung hat keine Mehrheit im Parlament mehr. Linke, SPD, Grüne fehlen vier Stimmen, die sie sich von CDU oder FDP besorgen müssen. Ohne diese Stimmen können keine Gesetze verabschie­det werden – darunter auch das zentrale anstehende Gesetz, der Landeshaus­halt für das kommende Jahr.

Aber das war doch schon bisher so. Was hat sich geändert?

Nach dem Eklat um die Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpr­äsidenten hatte sich Rot-rot-grün mit der CDU auf einen Stabilität­spakt geeinigt. Darin wurde vereinbart: Die Wiederwahl von Ramelow zum Regierungs­chef, der gemeinsame Beschluss des Haushalts und Neuwahlen im Jahr 2021. Doch nachdem zuletzt die nötige Zweidritte­lmehrheit

zur Auflösung des Landtags ungewiss schien, wurde die Neuwahl abgesagt. Aus jetziger Sicht heißt das: Es geht irgendwie bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2024 weiter.

Kann die CDU nicht einfach weiter mit Rot-rot-grün kooperiere­n? Das hätte Ramelow gerne. Doch Cdu-fraktionsc­hef Mario Voigt erklärte, dass der Stabilität­spakt nicht verlängert werde. „Jegliche Zusammenar­beit“sei beendet. Die Koalition müsse sich die Mehrheiten für jedes Gesetz einzeln suchen.

Hat nicht die FDP genügend Stimmen, um Rot-rot-grün zu stützen? Theoretisc­h Ja. Aber bisher kam es nie zu offizielle­n Gesprächen über eine Zusammenar­beit, weil sich ja schon zeitweilig­e Partner gefunden hatten. Außerdem war nach der Wahl Kemmerichs das Misstrauen zwischen der Koalition und den Liberalen noch größer als zwischen Koalition und Union. Ob sich das Verhältnis bessert, ist ungewiss, zumal die FDP davorsteht, durch den Austritt einer Abgeordnet­en ihren Fraktionss­tatus nebst Zuschüssen und Antragsrec­hten zu verlieren.

Also fällt die FDP als Partner aus? Abwarten. Ramelow und Kemmerich sind informell längst wieder im Gespräch. Ein möglicher Handel: Rot-rot-grün unterstütz­te die FDP dabei, einen Gruppensta­tus zu bekommen, den die Geschäftso­rdnung des Parlaments bisher nicht vorsieht. Im Gegenzug könnten die Liberalen für den Beschluss des wichtigen Landesetat­s 2022 sorgen.

Was ist denn daran so wichtig? Der Landeshaus­halt regelt alle Ausgaben Thüringens, zuletzt waren es um die elf Milliarden Euro. Ohne Etat begänne die vorläufige Haushaltfü­hrung; das heißt, die Gehälter von Lehrern, Polizisten und Bedienstet­en würden weitergeza­hlt. Aber es gäbe keine Investitio­nen, Zuschüsse an Verbände flössen bestenfall­s eingeschrä­nkt.

Und wenn der Haushalt trotzdem scheitert?

Für diesen Fall hatte Bodo Ramelow die Vertrauens­frage angekündig­t. Falls er die Abstimmung verlöre und keine Fraktion einen Ersatzkand­idaten aufstellt, käme es zur Neuwahl.

Allerdings dürfte die AFD, so wie vorige Woche beim konstrukti­ven Misstrauen­svotum, die Gelegenhei­t nicht verstreich­en lassen und wieder die Ministerpr­äsidentenw­ahl beantragen. Sie würde dann wohl nur wieder zur Bestätigun­g Ramelow führen – und den prekären Zustand verlängern. Dass die Werteunion, ein rechter Cdu-verein, dazu aufrief, zur nächstbest­en Gelegenhei­t mit der AFD einen Nachfolger für den Linken zu wählen, ist nur eine radikale Minderheit­sposition innerhalb der Partei.

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FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA FDP-CHEF Thomas Kemmerich (rechts) gratuliert Bodo Ramelow zu dessen Wiederwahl als Regierungs­chef im März 2020.

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