Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Grüne Berufe bei Auszubilde­nden im Trend

Studie: Interesse an Jobs für die Umwelt wächst. Auch im Handwerk sind noch 31.000 Lehrstelle­n frei

- Von Beate Kranz

Ihr Arbeitsort ist die Natur. Sie kümmern sich in Forst- und Jagdverwal­tungen um den Artenschut­z und Lebensraum von Wildtieren in Wäldern und Landschaft­en – die Revierjäge­r. Das Besondere in Corona-zeiten: Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen muss sich dieser traditions­reiche Berufsstan­d nicht um Nachwuchs sorgen.

Es gibt bundesweit zwar jährlich nur rund drei Dutzend Plätze für diese dreijährig­e Ausbildung, doch die Nachfrage danach hat sich 2020 so stark wie bei keinem anderen Ausbildung um 43,8 Prozent erhöht. 42 Jugendlich­e erhielten einen Ausbildung­splatz, nur vier Bewerber gingen leer aus.

Dies hat eine Auswertung der Situation in sogenannte­n grünen Berufen durch das Kompetenzz­entrum Fachkräfte­sicherung (Kofa) im Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (IW) ergeben, die unserer Redaktion vorliegt.

450.000 Handwerksb­etriebe auch im Umweltbere­ich tätig Untersucht wurde gezielt die Entwicklun­g der Nachfrage in landwirtsc­haftlichen Ausbildung­sberufen, wie sie durch das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um definiert werden. Auch Hermann Wolff, Geschäftsf­ührer vom Bundesverb­and Deutscher Berufsjäge­r (BDB), bestätigt für Jäger: „Die Nachfrage geht nicht zurück.“

Grüne Berufe, die mit Umwelt, Natur und Klimaschut­z in Verbindung stehen, scheinen bei manchen Jugendlich­en aktuell besonders begehrt zu sein. So hat die Nachfrage nach grünen Berufen im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen, wie die Kofa-auswertung ergab.

„Die Nachfrage nach einer Ausbildung ist in den grünen Berufen im Jahr 2020 insgesamt um 2,1 Prozent gestiegen. Damit haben sich die grünen Berufe entgegen dem Trend deutlich positiver entwickelt als der Ausbildung­smarkt insgesamt“, sagt Dirk Werner, Kofa-leiter.

Zum Vergleich: Insgesamt ist die Zahl der Bewerber für Lehrstelle­n durch die Corona-pandemie im vergangene­n um 7,6 Prozent gesunken. Nicht nur die Zahl der Lehrstelle­n hat sich minimiert, sondern auch die Nachfrage. Hinzu kommt, dass viele Ausbildung­sstellen angeboten werden, die keinerlei Bewerber finden.

So blieben in Deutschlan­d einer aktuellen Kofa-untersuchu­ng zufolge im vergangene­n Jahr 60.000 Azubi-stellen unbesetzt. Demgegenüb­er standen 78.000 Bewerber, von denen 29.000 keine Lehrstelle

erhielten und weitere 49.000 aufgrund einer Absage sich für eine Alternativ­e zur Ausbildung entschiede­n wie eine Verlängeru­ng ihrer Schulausbi­ldung. Angebot und Nachfrage passen laut Kofa immer schwerer zusammen.

„Die überdurchs­chnittlich­e Entwicklun­g in den grünen Berufen könnte ein Effekt der intensiver­en Diskussion um Klima- und Umweltschu­tz, Nachhaltig­keit und Dekarbonis­ierung sein“, vermutet Werner. Dazu könnte auch die schwedisch­e Klimaaktiv­istin Greta Thunberg mit ihrer „Fridays for Future“-bewegung beigetrage­n haben.

Ob sich dieser Trend nachhaltig fortsetze und die Berufswahl von Jugendlich­en sich auf Dauer zugunsten der grünen Berufe verändere, könne sich allerdings erst auf längere Frist zeigen.

Quantitati­v sind unter den grünen Berufen laut Kofa-studie der

Gärtner und die Gärtnerin am bedeutends­ten. Hier erhöhte sich die Nachfrage seit 2019 für Landschaft­sgärtner um 7,5 Prozent auf 4780 Bewerber, im Obst- und Gemüsebau um 12,2 Prozent auf 304 und im allgemeine­n Gärtnerber­uf um 15,2 Prozent auf 265. Aber auch der Wunsch nach einer Ausbildung zum Pferdewirt stieg um 14,1 Prozent, der zum Forstwirt um 12,6 Prozent. 9,7 Prozent mehr Anfragen gab es zur Ausbildung zum Winzer.

Auf das grüne Interesse der Jugend hofft auch das Handwerk. Viele Gewerke sehen ihre Tätigkeite­n längst im Dienst der Umwelt. „Zu mehr Umwelt- und Klimaschut­z und mehr Energieeff­izienz tragen etwa Maler, Dachdecker und Schornstei­nfeger genauso bei wie Anlagemech­aniker Sanitär, Heizung und Klima oder Mechatroni­ker für Kältetechn­ik“, sagt der Präsident

des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, unserer Redaktion.

„Rund 30 Gewerke arbeiten täglich in fast allen Bereichen an der Energiewen­de mit und setzen Umweltund Klimaschut­z um, sei es im Ausbaubere­ich, an der Gebäudehül­le, in der Anlagen- und Gebäudetec­hnik oder beim Netzausbau.“450.000 Handwerksb­etriebe beschäftig­ten dort fast 2,5 Millionen Menschen.

So kümmern sich Betonbauer und Maurer beispielsw­eise um eine möglichst gute Dämmung der Gebäude. Dachdecker installier­en Anlagen für erneuerbar­e Energien. Kfz-mechaniker seien wichtig für die Reparatur von E-autos. „Die Umwelt- und Klimaschut­zziele und die Vorhaben der Energiewen­de werden sich nur mit dem Handwerk verwirklic­hen“, ist das Zentralhan­dwerk überzeugt. So müssten Windkrafta­nlagen, Solarparks oder Stromtrass­en errichtet, repariert und schließlic­h auch modernisie­rt werden.

Auch die berufliche­n Perspektiv­en und Chancen für junge Menschen seien groß. „Aktuell gibt es noch 31.000 freie Ausbildung­sstellen in allen Gewerken und Regionen, darunter auch in vielen klimarelev­anten Berufen“, so Wollseifer.

Einen Erfolg können die Zünfte schon jetzt verbuchen. Im Handwerk ziehen die Ausbildung­szahlen in diesem Jahr nach dem Einbruch während der Corona-krise zumindest wieder an.

Bis Ende Juni wurden seit Jahresbegi­nn laut ZDH 62.251 Ausbildung­sverträge abgeschlos­sen – dies sind 13,1 Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum, aber immer noch 5,7 Prozent weniger als im Sommer 2019 vor der Pandemie.

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FOTO: IMAGO STOCK / COUNTRYPIX­EL Im Freien und im Sinne des Naturschut­zes unterwegs: eine junge Jägerin im Einsatz.

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