Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Ein Abend der Frauen
Dirigentin Oksana Lyniv eröffnet mit dem „Fliegenden Holländer“die Bayreuther Festspiele. Jubel für die litauische Sopranistin Asmik Grigorian
Es ist der Abend der Frauen in Bayreuth: Als nach der Premiere der Oper „Der fliegende Holländer“am Sonntagabend der Vorhang fällt, brandet frenetischer Applaus auf, wie man ihn nicht immer hört im Festspielhaus. Als dann Dirigentin Oksana Lyniv vor den Vorhang tritt, jubelt das Publikum ihr begeistert zu. Ihr, der ersten Frau am Dirigentenpult in 145 Jahren Festspielgeschichte.
Vorher hat sie so souverän, kraftvoll, zügig und auf den Punkt durch die knapp zweieinhalb Stunden lange Oper geführt. Dabei lässt sie sich auch von technischen Widrigkeiten und einer Inszenierung, die es sich zum Ziel gemacht zu haben schien, es der Musik an diesem Abend so schwer wie möglich zu machen, nicht aus dem Konzept bringen. Ein gelungener Einstand für die 43 Jahre alte Bayreuth-debütantin und frühere Assistentin von Star-dirigent Kirill Petrenko.
Man könnte davon ausgehen, Lyniv sei der unangefochtene Star des Abends – ist sie aber nicht. Übertroffen wird der Jubel für sie noch von dem für eine andere Bayreuth-debütantin: Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian liefert eine Leistung ab, die dazu führt, dass es die meisten der in diesem Jahr coronabedingt 911 statt rund 2000 Zuschauer nicht mehr auf ihren Sitzen hält, als sie sich nach der gut zweistündigen Oper vor dem Publikum verbeugt.
Als ihr männlicher Gegenpart John Lundgren in der Titelrolle des „Holländers“nach ihr vor den Vorhand tritt, setzen sich dagegen viele wieder hin. Dabei hat er – wie auch der Bayreuther Publikumsliebling Georg Zeppenfeld als Daland und Eric Cutler als Erik – durchaus ebenfalls eine starke Leistung abgeliefert. Grigorian aber singt sie an diesem Abend alle an die Wand.
Erwartbare und einigermaßen einhellige Buhs gibt es für das Regieteam um Dmitri Tscherniakov für eine Inszenierung mit guter Grundidee, aber ausbaubarer Umsetzung. Er hat die romantische Wagneroper als Rache-geschichte à la Graf von Monte Christo auf die Bühne bringen wollen, scheitert damit aber wegen einer allzu schlichten Umsetzung mit leb- und einfallslosem Bühnenbild und problematischer Figurenführung, die es den Sängern sehr schwer macht.
Bei durchaus interessanten Ideen leistet Tscherniakov sich in der Umsetzung allerdings nahezu hanebüchene handwerkliche Unzulänglichkeiten. Nicht nur bewegt sich die Drehbühne manchmal unfreiwillig komisch schwerfällig, auch zerstört er Kernszenen fast systematisch. In der womöglich emotionalsten Szene der Oper, dem Kennenlernen von Senta und dem Holländer, verfrachtet er die beiden in einen Wintergarten an eine Festtafel im Hause Daland. Damit nimmt er ihnen jeden Spielraum.