Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Würde gerne im Kloster leben

- Von Oliver Stöwing

„Tatort“-schauspiel­er Miroslav Nemec (67) kann sich ein Leben hinter Klostermau­ern vorstellen. „Ich würde gern hier wohnen. Mit vielen Menschen, die ich gern mag – das wäre dann eine riesengroß­e Wohngemein­schaft“, sagte Nemec dem „Münchner Merkur“bei Dreharbeit­en im früheren Kloster Reisach in Oberbayern. Sein Filmpartne­r Udo Wachtveitl (62) winkt hingegen ab: „Mir wär so eine WG zu groß.“

Der lange Lockdown mit den Auftrittsv­erboten hat offenbar bei einigen Künstlern die Nerven ausgedünnt. Am Freitagabe­nd brach Helge Schneider ein Konzert in Augsburg ab, bei dem die Zuschauer als Teil der Hygienesch­utzmaßnahm­en in Strandkörb­en saßen. Er habe „keinen Kontakt“zum Publikum aufbauen können, klagte der Entertaine­r auf der Bühne. Sonntagabe­nd war es Nena (61), die bei einem Open-air-konzert bei Berlin deutlich machte, was sie von den Hygienemaß­nahmen hält, die ihr den Auftritt überhaupt erst ermöglicht­en: nichts.

„Holt euch eure Freiheit zurück“, ruft sie, als ihr erster Hit „Nur geträumt“auf dem Programm steht. Dann fordert sie die Fans auf, nach vorne zur Bühne zu kommen. Und tatsächlic­h wird es voll am Bühnenrand, die Stimmung steigert sich. Das Problem: Die Zuschauer wurden zuvor auf Boxen verteilt, die durch Getränkeki­sten abgegrenzt sind und in gebührende­m Abstand voneinande­r entfernt stehen. „Sie haben gedroht, dass sie die Show abbrechen, wenn ihr nicht in eure Boxen geht“, sagt sie später. Und legt bittere Ironie in das Wort „Boxen“, als wolle sie eigentlich „Gefängniss­e“sagen. Die Menge johlt. „Ich überlasse es eurer Verantworo­b ihr das tut oder nicht. Das darf jeder genauso frei entscheide­n, wie er entscheide­n darf, ob er sich impfen lässt.“

Die Sängerin rennt mit dieser Bemerkung bei einem Teil des Publikums offene Türen ein – zustimmend­er Jubel. Das Ganze werde politisier­t, und das sei „völlig ätzend“, sagt Nena weiter. „Gestern war Christophe­r Street Day. Und es war völlig okay, dass 80.000 Leute eng aneinander auf der Straße waren. Also schaltet den Strom aus. Oder holt mich mit der Polizei hier runter.“Nena redet sich in Fahrt, sagt: „Ich habe die Schnauze voll davon.“Die Frage sei nicht, was wir dürfen, sondern was wir mit uns machen lassen.

„Wer auch nur Nena zitiert, reproduzie­rt gefährlich­en Unsinn.“Micky Beisenherz, Moderator

Die Stimmung wird wieder friedliche­r. Die Zuschauer am Bühnenrand tanzen eng zusammen, umarmen sich. Auf die Ordnerinne­n und Ordner achtet keiner. Bei ihrem Hit „99 Luftballon­s“hüpfen bunte Ballons durchs Publikum. Danach erklärt Nena, dass die übliche Zugabe ausfalle. Der Veranstalt­er der „Unter freiem Himmel“-konzertrei­he – und nicht wie auf Twitter behauptet das Ordnungsam­t – bricht das Konzert nach der Kernzeit ab. Das Ordnungsam­t in Schönefeld erklärte, man habe aus Ermessensg­ründen keine Polizei eingeschal­tet, um das Konzert zu stoppen, zumal sich die Lage zwischendu­rch immer wieder beruhigte.

Auch Prominente mischen in der Diskussion mit, die inzwischen auf Twitter entfacht ist: „Lieber ein halbes Konzert von Helge als ein ganzes von Nena“, schreibt Kabarettis­t Florian Schroeder. Moderator Micky Beisenherz warnt, wer Nena zitiere, reproduzie­re damit auch „gefährlich­en Unsinn“. Im Team Nena wiederum: Alice Weidel. Die Afdpolitik­erin setzt unter einen Videobeitr­ag, in dem sie vor der Diskrimini­erung Ungeimpfte­r warnt, den Hashtag #Nena.

Veranstalt­er war stolz auf sein Boxen-konzept

Weltstar Nena kann sich Rebellion leisten. Sie gefährdet jedoch die Auftritte von Künstlern mit weniger Ressourcen. Und auch für den Veranstalt­er als Teil einer gebeutelte­n Branche bedeutet der Auftritt unnötigen Ärger. Er möchte sich nicht äußern und verweist auf einen Artikel des „Tagesspieg­el“. Dort ist zu lesen, man sei stolz auf das selbst ertung, dachte Hygienekon­zept. Die Boxen würden ausreichen­d Platz und frische Luft garantiere­n. In einem Blog berichtete­n die „Unter freiem Himmel“-macher schon vor Wochen, sie setzten auf Ideen, um Künstlern auch in widrigen Zeiten Auftritte zu ermögliche­n.

Ordnungsam­t-sprecher Hilmarzieg­ler sagte, man bespreche sich jetzt mit dem Gesundheit­samt. Die Konzertrei­he könne aber so weiterlauf­en, von den anderen Musikern seien keine Schwierigk­eiten zu erwarten. „Nena ist schon eine sehr spezielle Künstlerin“, sagt er. Und klingt erschöpft.

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