Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Zerbrochene Erinnerung
Was für ein Schock muss das für den Kanuten Ronald Rauhe um den deutschen Kajakvierer gewesen sein, als vor dem Transport nach Tokio beim Verladen ein Gabelstapler das aus Carbon speziell gefertigte Boot zerstörte. Dass Olympiasieger Rauhe von einem Supergau sprach, kann ich gut nachvollziehen. Schließlich ist das Hightech-boot auf die Athleten abgestimmt. Kein Ersatz kann diesen Nachteil wettmachen.
Da habe ich es als Leichtathlet viel einfacher. Denn die technischen Vorgaben, wie ein Speer konstruiert sein muss, sind klar definiert. Einen Spielraum, das Sportgerät auf mich persönlich anzupassen, gibt es nicht. Vor jedem Wettkampf werden die festgelegten Maße wie zum Beispiel Gewicht und Länge durch die Kampfrichter penibel überprüft. Damit starten alle unter den gleichen Bedingungen.
Bei Olympischen Spielen habe ich es sogar schon erlebt, dass selbst Lack und dessen Beschaffenheit überprüft wurden. Zudem ist es bei uns so, dass ich im Wettkampf rein theoretisch auch einen Speer eines Konkurrenten verwenden darf. Oder der Veranstalter stellt ein Wurfgerät zur Verfügung.
Trotzdem kann ich den Frust von Ronald Rauhe verstehen. Auch mir ist schon mal mein Sportgerät zerstört worden. Auf dem Weg zum Diamond-leaguemeeting 2019 in Shanghai wurden meine sechs Speere wie üblich im Flugzeug als Sperrgepäck transportiert. In China angekommen, waren sie alle zerbrochen. Klar gab es im Wettkampf für mich Ersatz. Aber damals brach eben auch jener Speer in zwei Teile, mit dem ich 2018 in Berlin Europameister geworden war. Dieser Verlust hat emotional doch schon weh getan.
Der Jenenser Thomas Röhler (29), Speerwurf-olympiasieger von 2016 und in diesem Jahr verletzungsbedingt nicht am Start, wirft täglich einen persönlichen Blick auf die Spiele.