Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Mut zu Hut und Filz-unikaten
Bettina Kübler aus Gröben firmiert seit 2004 unter dem Label „Lieblingsstück“
Bettina Kübler hat Mut zum Hut: beim Arbeiten, wenn es kalt ist und wenn sie gesehen werden will.
Die Meinung, einen Anlass zu brauchen, um Kopfschmuck zu tragen, teilt sie nicht. „Ob beim Holzhacken oder in der Badewanne, einen Hut sollte man jetzt aufsetzen. Ich würde mir diesbezüglich mehr Individualität und Selbstbewusstsein wünschen.“
Die 47-Jährige, die mit ihrer Familie auf einem Dreiseitenhof im Schlöbener Ortsteil Gröben im Saale-holzland-kreis lebt, ist nicht nur leidenschaftliche Hutträgerin, sondern fertigt die Kopfbedeckungen auch selbst an.
Für die gelernte Bauzeichnerin und ausgebildete Sozialpädagogin änderte sich beruflich alles mit der „Liebe auf den ersten Griff“. Damals, 2002, kam sie erstmals mit dem Werkstoff Filz in Berührung. Zu erleben, dass sich lockere Wollflocken zu etwas Festem verbinden können, zu sehen, was daraus alles entstehen kann, das Experimentieren mit Farben, Stoffen und Stilen, das sei für sie das Reizvolle gewesen. Nur zwei Jahre später, im September 2004, machte sie sich als Textilgestalterin unter dem Label „Lieblingsstück“selbstständig. Teppiche, Schuhe, Kinderspielzeug und Sitzauflagen aus Filz stellte sie zunächst her. Das Know-how dafür eignete sie sich autodidaktisch an. „Dadurch habe ich viel unkonventionellere Lösungen für Probleme gefunden und habe nachhaltig gelernt.“
Auch heute noch entsteht vom ersten Entwurf bis zur Umsetzung jedes Textil von Bettina Kübler in Handarbeit. Längst aber liege der Fokus auf Hüten, Schals, Stulpen und kleinen Accessoires wie Broschen. Ideen von Kunden setze sie auch gern um. Von Lichterketten aus Filzblüten, bunten Eierwärmern über echte Filzstifte bis hin zu eingefilzter Seife habe sie schon viele Wünsche erfüllt. „Es können auch mal Urnen sein“, sagt sie. Ihre erste textile Urne entstand 2014 nach dem Tod ihrer Mutter. Weitere kompostierbare „Wollmäntel“für
Urnen mit vorwiegend floralen Elementen folgten. Die Entwürfe werden meistens von den Angehörigen der Verstorbenen mitgestaltet. Hauptsächlich für Frauen werden diese besonderen Arbeiten bei ihr in Auftrag gegeben. „Grundsätzlich sind fast alle meine Sachen eher etwas für die weibliche Zielgruppe.“
Federn vom eigenen Rassegeflügel als Hingucker
Bettina Küblers Lieblingsstücke entstehen derzeit noch an einem provisorischen Arbeitsplatz auf dem heimischen Hof. Gerade baut sie sich unter dem Dach des Hauses ein etwa 70 Quadratmeter großes Atelier aus, das künftig zwei Räume beherbergen wird: ihre Werkstatt mit Verkaufsraum und einen Showroom. Auch hier zeigt die Textilgestalterin ihr Geschick. Den Lehmputz bringt sie selbst auf die Wände.
Sich in dieser Form zentralisieren zu können, das empfinde sie als großen Luxus. Zuvor waren Atelier, Laden und Wohnung getrennt. Unzählige Male sei sie geschäftlich umgezogen, hatte unter anderem mal ein paar Jahre ihren Laden in der Jenaer Zwätzengasse. Damals habe sie von ein, zwei Leuten Unterstützung auf Honorarbasis bekommen. Doch zu viele Aufgaben galt es zu bewältigen, zu viele Wege zurückzulegen. „Ich bin jetzt froh, dass ich bald alles fertig unter einem Hut habe.“
Ihre Arbeitsmaterialien bestellt sie hauptsächlich über das Internet. Die Seide lässt sie sich aus China liefern, Wolle über große Firmen mit Sitz in Deutschland. Hutstumpen, also Rohlinge zur Herstellung von Hüten, besorgt sie sich in den Niederlanden. Von beispielsweise 50 Hüten sind zehn aus Industriestumpen gefertigt und dekoriert. Die restlichen 40 stellt sie vom Filzen bis zum letzten dekorativen Element selbst her. Als Hingucker schmückt sie ihre textilen Unikate zuweilen auch mit Federn der eigenen Rassegeflügel.
Die richtigen „Kracher“, den extravaganten Kopfschmuck, nimmt Bettina Kübler nicht zu den Märkten mit, die sie deutschlandweit besucht, sondern hauptsächlich zu Messen. Wenn sie dort, wie fast immer, gefragt wird, was denn dieses Jahr Mode ist, antworte sie regelmäßig, dass sie sich mit Mode nicht auskenne. „Für mich ist Mode nicht unbedingt positiv bewertet. Mode ist etwas Schnelllebiges und nicht Nachhaltiges. Ein Produkt, das rasch in der Schublade, im Schrank oder Müll endet, weil es eben schnell nicht mehr modern ist. Deswegen heißt mein Label auch Lieblingsstück. Ich habe eine Idealvorstellung davon, dass Leute bei mir ein Lieblingsstück finden und dieses hegen, pflegen und über eine lange Zeit hinweg tragen.“