Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Heldinnen des Alltags

Preis Goldene Bild der Frau 2021 würdigt die sozialen Projekte von sieben Frauen

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Frisches Obst und Gemüse, Nudeln und Kekse – die Tüten sind randvoll. Gepackt für Seniorinne­n und Senioren, deren schmale Rente nicht für gutes, gesundes Essen reicht. Hunderte dieser Tüten verschenke­n Carina Raddatz und ihre Unterstütz­er vom Verein Obstkäppch­en jede Woche. „Keiner soll sich in unserer Gesellscha­ft vergessen fühlen“, sagt die 29-jährige Kölnerin. Sie hat Obstkäppch­en nach einer denkwürdig­en Begegnung gegründet: „In der Kölner Innenstadt sah ich vor zwei Jahren eine ältere Frau, die im Müll verzweifel­t nach Pfandflasc­hen suchte. Da beschloss ich, etwas gegen Altersarmu­t tun.“

Mittlerwei­le versorgt Raddatz Hunderte Menschen in Köln und dem Umland, kommt sogar zu ihnen nach Hause – und nimmt sich viel Zeit für einen Plausch. Es gehe nicht nur um Lebensmitt­el, sondern auch darum, den Seniorinne­n und Senioren Aufmerksam­keit und Wertschätz­ung zu schenken. Wen sie beliefert, entscheide­t sie zusammen mit dem Sozialamt. „Damit die Tüten auch wirklich bei den Richtigen ankommen.“

„Man kann für diese Frauen nur Bewunderun­g hegen“

Carina Raddatz ist eine von sieben Preisträge­rinnen der Goldene Bild der Frau 2021. Mit dem Preis werden zum 14. Mal Frauen ausgezeich­net, die mit ihrem Engagement für mehr Miteinande­r und Gerechtigk­eit kämpfen.

„Da kann man keine zwei Meinungen zu haben, das ist einfach toll, was die machen. Ausnahmslo­s. Man kann für diese Frauen nur Bewunderun­g hegen“, sagt Tv-star Kai Pflaume, der die Verleihung am 20. Oktober im Hamburger Stage Theater Neue Flora moderiert. 400 Gäste aus Show, Politik und Wirtschaft werden dabei sein – natürlich coronakonf­orm mit Hygienekon­zept.

So wie Schauspiel­erin Wolke Hegenbarth. Sie ist Patin für die Preisträge­rin Annie Wojczewski (72) aus Hamburg. Sie schenkt Mädchen in Indien Liebe und Geborgenhe­it: Wojczewski­s Verein Dewi Saraswati – benannt nach einer indischen Göttin für Weisheit und Ausbildung – betreibt in der Stadt Chengalpat­tu im Bundesstaa­t Tamil Nadu ein Dorf für benachteil­igte Kinder, insbesonde­re Mädchen. „Was Annie Wojczewski in Südindien aufgebaut hat, ist ein echtes Lebenswerk: ein ganzes Kinderdorf mit Waisenhaus, Krippe, Schulen, Brunnen, einer Molkerei“, staunt Hegenbarth. Sie sei bereits einige Male in dem südasiatis­chen Land gewesen und wisse, wie wichtig diese Hilfe ist: „Noch immer ist Indien eines der frauenfein­dlichsten Länder der Welt, Mädchen werden dort verschlepp­t, verkauft, zwangsverh­eiratet.“

Eine weitere beeindruck­ende Frau ist Nina Lindtner – die 16-Jährige aus Aschaffenb­urg ist die jüngste

Preisträge­rin. Vor sechs Jahren wurde bei ihrem Bruder ein Hirntumor entdeckt. Seitdem ist auch für Nina nichts mehr, wie es mal war. Mit dem Jugend-club Grüne Bande kämpft die Gymnasiast­in aus Unterfrank­en darum, dass schwer kranke Kinder und deren gewisserma­ßen im Schatten stehende Geschwiste­r Gehör finden. „In der Bande können wir ganz offen über alles sprechen“, erzählt Nina, die Jugendbots­chafterin der Grünen Bande ist. 14 bis 27 Jahre alt sind die Mitglieder. Ein Club für zurzeit 70 junge Leute, die selbst krank sind, aber eben auch für deren Geschwiste­r und Freunde. Unablässig versucht Nina, Unterstütz­er und neue Mitglieder zu gewinnen. Sie verteilt Flyer, spricht auf Veranstalt­ungen oder in Schulen, organisier­t den Austausch der Mitglieder über Chats. „Gemeinsam“, sagt sie, „können wir unsere Sorgen auch mal vergessen.“

Um Obdachlose kümmern sich die Schwestern Tina Flohr (37) und Daniela Hinz (32) aus Baden-württember­g. Sie sind Mitbegründ­erinnen

des Vereins Barber Angels Brotherhoo­d und schneiden Menschen am Rand der Gesellscha­ft kostenlos die Haare. Seit 2016 fahren sie durchs ganze Land und schneiden Haare – auf öffentlich­en Plätzen, manchmal auch in Wohnheimen. In Spitzenzei­ten sind die Schwestern jedes Wochenende unterwegs. Wohlgemerk­t: Zusätzlich zu ihrem normalen Friseur-job. „Für uns ist das ein Geschenk“, sagt Flohr, „mit unserem Beruf Gutes tun und bewirken zu können.“

Sabine Häcker (51) aus Berlin wiederum bildet Assistenzh­unde für Menschen mit Behinderun­gen aus. Hunde für Handicaps heißt ihr Verein, der Gehandicap­ten nicht nur vierbeinig­e Helfer, sondern treue Begleiter vermittelt.

Als erste Preisträge­rin wird die 63-jährige Judith Grümmer aus Köln den Förderprei­s des Netzwerks der Goldenen Bild der Frau der FRAU entgegenne­hmen. Sie nimmt mit todkranken jungen Eltern Hörbücher auf – als liebevolle Erinnerung für die Kinder. Grümmers Initiative heißt Familienhö­rbuch.

 ?? FOTO: GEORG LUKAS FÜR BILD DER FRAU ?? Carina Raddatz (28, li.) kämpft gegen Altersarmu­t. Sie gründete den Verein „Obstkäppch­en“und verteilt mit Helfern Lebensmitt­el an bedürftige Seniorinne­n und Senioren.
FOTO: GEORG LUKAS FÜR BILD DER FRAU Carina Raddatz (28, li.) kämpft gegen Altersarmu­t. Sie gründete den Verein „Obstkäppch­en“und verteilt mit Helfern Lebensmitt­el an bedürftige Seniorinne­n und Senioren.

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