Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Schaden Instagram und Co. der Psyche?
Interne Facebook-studien sollen negative Folgen vor allem für junge Nutzerinnen dokumentieren
Die Dokumente haben Sprengkraft. Vor wenigen Wochen übergab eine ehemalige Facebookmitarbeiterin der Zeitung „Wallstreet Journal“interne Papiere des Konzerns. Deren Inhalte bezogen sich unter anderem auf Instagram, eine App, die in Deutschland 27,8 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zählt. Seit 2012 gehört Instagram zu Facebook.
In den Dokumenten, so berichteten die Redakteure, gebe es Hinweise auf interne Studien zur Wirkung dieser App. Demnach habe Instagram das Potenzial, vornehmlich jungen Nutzerinnen zu schaden. Fast jede Dritte habe angegeben, die App würde bei ihr das Urteil über das eigene Körperbild verschlechtern. Darüber hinaus hätten Teenager Instagram die Schuld dafür gegeben, dass Angstzustände und Depressionen zunähmen.
Die Facebook-verantwortlichen dementierten nicht, relativierten aber. Die Studien seien überholt, die Daten „bewusst in ein negatives Licht“gerückt worden, teilten sie mit. Gleichzeitig betonten sie die positiven Aspekte von Internet und sozialen Medien. 81 Prozent der Jugendlichen würden sich durch sie stärker mit Freunden verbunden fühlen.
Die Informationen aus dem Inneren des Internetriesen haben eine Debatte losgetreten: Kann der Konsum sozialer Medien wirklich zu einer negativen Körperwahrnehmung führen und zu psychischen Problemen?
„Ich kann das leider so bestätigen“, sagt Miriam Hoff. Die 46Jährige kennt sich aus mit Körperbildern. Sie war viele Jahre lang Model, 1996 wurde sie zur Miss Germany gekürt. Oft wurde Hoffs Aussehen beurteilt und bewertet. Jetzt arbeitet sie als Psychotherapeutin für Kinder- und Jugendliche in Frankfurt am Main.
Dort gebe es ab 2022 die Pflicht, bearbeitete Fotos zu markieren. „Eine Kennzeichnung von kommerziell genutzten, durch Software optimierte Bilder wäre ein wichtiger Schritt. So wird erkennbar: Dieser Körper oder dieses Gesicht ist digital bearbeitet“, sagt Hilpert. Ziel sollte sein, jungen Menschen den Druck zu nehmen, einer vermeintlichen Perfektion nachzueifern.
Psychotherapeutin Hoff hat Zweifel, dass Regulierungen oder Verbote das Problem nachhaltig lösen können. „Soziale Medien gehen ja nicht mehr weg“, sagt sie. Junge Menschen bräuchten außerhalb der Medien Menschen und Erlebnisse, die ihre Persönlichkeit stabilisierten – Freunde, Sport, Familie. Darauf ließe sich ein robustes Selbstwertgefühl aufbauen. Darüber hinaus sollten junge Menschen ihren Medienkonsum reflektieren und dazu auch immer wieder angehalten werden. „Sie sollten sich fragen, ob sie sich etwa nach dem Konsum von Instagram besser oder schlechter fühlen“, rät Hoff. Wenn sie feststellten, dass nur 20 Prozent der Informationen wertvoll seien, „muss ich vielleicht die Nutzungsdauer reduzieren oder überlegen, ob ich den richtigen Leuten folge“.
Eltern sollten Hoff zufolge für ihre Kinder ein Vorbild sein – handyfreie Zeiten nehmen, reale Erlebnisse schaffen, machen statt angucken. „Und sie sollten sich immer wieder gemeinsam mit ihren Kindern mit den Inhalten sozialer Medien auseinandersetzen. Sie müssen ihnen klarmachen, dass dort viele Dinge eine Scheinwelt darstellen, die teilweise im Widerspruch zur Realität steht.“