Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Habecks Botschaft: Gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen
Afd-chef Tino Chrupalla bezeichnete den Bericht am Freitag auf Nachfrage als „Räuberpistole“. Er kenne dieses angebliche Papier nicht, sagte er. Das vom Kreml angeblich entwickelte Papier lese sich „wie eine programmatische Formulierungshilfe für die AFD“, schreibt der „Spiegel“.
Zudem wurde bekannt, dass der wegen mutmaßlicher Spionage für China verhaftete Mitarbeiter des Afd-europaabgeordneten Maximilian Krah vor einigen Jahren versucht hatte, für den Bundesnachrichtendienst (BND) zu arbeiten. Der Auslandsnachrichtendienst lehnte eine Zusammenarbeit mit Jian G. damals jedoch ab. Später wurde der Mann dem Vernehmen nach auch noch beim sächsischen Verfassungsschutz vorstellig, wo er aber ebenfalls nicht zum Zuge kam – auch weil man ihn für nicht zuverlässig hielt. dpa
Die Aufregung ist groß. Täuschten die Grünen die deutsche Öffentlichkeit beim Atomausstieg? Ein Medienbericht deutet das an. Im Zentrum der Vorwürfe: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke. Was ist dran an den Vorwürfen? Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Das Magazin „Cicero“erhebt schwere Anschuldigungen gegen Habeck und Lemke. Als „Strippenzieher der Grünen“hätten sie „manipuliert“und beim Atomausstieg „getäuscht“. Konkret geht es um ein internes Papier im Habeck-ministerium aus dem Frühjahr 2022, das einen Weiterbetrieb der Kraftwerke über den damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg hinaus empfahl. Ein ähnliches Schreiben soll im Umweltministerium existiert haben. Der Vorwurf lautet, dass man trotzdem lieber die politische Linie durchdrücken wollte, anstatt den Empfehlungen der eigenen Experten zu folgen und die Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen.
Habeck habe, so teilte es die Pressestelle
des Wirtschaftsministeriums mit, selbst gar nichts von den Dokumenten gewusst. Diese seien nur bei seinem damaligen Staatssekretär Patrick Graichen gelandet – der das Ministerium mittlerweile verlassen habe. Habeck sagte am Freitag dazu: „Es mag E-mail-verkehre untereinander geben, die dann nicht eins zu eins protokollmäßig bei mir ankommen.“Ansonsten verteidigten Lemke und Habeck ihr Handeln: Der Ausstieg aus der Atomkraft sei richtig gewesen.
Deutschland sollte nach der Fukushima-katastrophe raus aus der Kernenergie. Beschlossen worden war dieser Schritt schon 2011 von der damals regierenden schwarzgelben Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Geplant war der deutsche Atomausstieg zum Jahreswechsel 2022/2023. Doch dann griff Russland die Ukraine an. In dieser Situation drängte sich die Frage auf, inwieweit die verbliebenen drei Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31. Dezember 2022 hinaus helfen könnten. Dafür wären theoretisch zwei Optionen möglich gewesen: eine Laufzeitverlängerung, die das Zeitalter der Atomkraft in Deutschland mit neuen Brennstäben grundsätzlich verlängert hätte oder ein sogenannter Streckbetrieb, der mit den alten Brennstäben und verminderter Leistung den Ausstieg nur verzögert hätte. Wirtschaftsminister Habeck kündigte damals an, beides pragmatisch prüfen zu wollen.
Dann folgte ein bis Mitte Oktober anhaltender koalitionsinterner Streit. Am Ende sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Machtwort, entschied, dass die drei Reaktoren um viereinhalb weitere Monate, bis Mitte April 2023, weiterlaufen können. Scholz berief sich auf seine Richtlinienkompetenz, um die Verantwortung von seinen Kabinettsmitgliedern zu nehmen. Habeck sagte später über den Kompromiss aus dem Kanzleramt, er könne damit „arbeiten“und dass er für diesen Weg werbe, weil „alles andere staatspolitisch nicht verantwortlich wäre“.
Einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox zufolge sind die durchschnittlichen Strompreise seit dem endgültigen Atomausstieg vor gut einem Jahr um 17 Prozent gesunken. Ob es nun günstiger wäre, würden die drei Meiler weiterhin am Netz sein? Schwer zu beurteilen, sagt Thorsten Storck, der als Energieexperte für das Portal tätig ist. Das Münchner Ifo-institut aber weist auf unterschiedliche Berechnungen hin, wonach das Abschalten
der letzten AKW die Strompreise um fünf bis zehn Prozent erhöht habe – verglichen mit einem Szenario ohne die Abschaltung.
Zunächst hatte die FDP Druck gemacht. „Ich bin von Robert Habeck enttäuscht“, hatte der energiepolitische Sprecher Michael Kruse erklärt. Deutschland sei „wissentlich hinter die Fichte geführt“worden. Nach dem Auftritt am Freitagmorgen von Habeck vor dem Energieausschuss gab man sich aber deutlich zahmer bei den Liberalen. Habeck hat das interne Papier, über das „Cicero“zunächst berichtet hatte, inzwischen an den Ausschuss gegeben – jedoch mit Schwärzungen.
Fdp-politiker Christoph Meyer sagte unserer Redaktion: „Ob die Grünen Habeck und Lemke das Land aus faktenfreier Ideologie und gegen wissenschaftliche Einschätzung aus der Fachebene ins Atomende getrieben und damit Strom für Menschen und Betriebe teurer gemacht haben, müssen beide jetzt aufklären.“Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Steffen Bilger (CDU) sagte nach der Anhörung von Lemke im Umweltausschuss: „Wir haben Fragen gestellt. Die Antworten waren unzureichend.“Die Union behält sich vor, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen.
Der Bundestag hat am Freitag die umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Ein dagegen gerichteter Antrag des Cdu-abgeordneten Thomas Heilmann war am Vorabend am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Reform des Gesetzes kam vor allem auf Verlangen der FDP zustande. Der Cdu-energiepolitiker Andreas Jung sprach von einer Entkernung des Klimaschutzgesetzes. Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren.
Die Reform des Klimaschutzgesetzes sieht grundlegende Änderungen vor. Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich gesetzliche Vorgaben zum Kohlendioxid-ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen.
Jung kritisierte, die Ampel stelle sich einen Freibrief aus. Mit der Aufweichung der verbindlichen Sektorziele werde dem Gesetz sein Herzstück entrissen. Der Fdp-fraktionsvorsitzende Christian Dürr dagegen sagte, das alte Klimaschutzgesetz sei planwirtschaftlich gewesen.
Ebenfalls beschlossen wurde das Solarpaket. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen soll der Ausbau der Solarenergie vorangetrieben werden. Geplant sind unter anderem Erleichterungen bei Balkonkraftwerken. Das Solarpaket passierte am Freitag auch den Bundesrat.
Grünen-fraktionsvize Julia Verlinden sprach von einem „Booster“für die erneuerbaren Energien. Es gebe auch für private Haushalte mehr Möglichkeiten, bei der Energiewende mitzumachen mit günstigerem Strom vom Balkon und von Dächern. Solarenergie ist neben Windenergie eine wichtige Säule der Energiewende. Das Ziel der Bundesregierung lautet: 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus den erneuerbaren Energien stammen. Im vergangenen Jahr war es mehr als die Hälfte. dpa