Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Warten auf die Schätze der Bleßberghö­hle

Aus Sicherheit­sgründen musste die vielleicht schönste Tropfstein­höhle Deutschlan­ds wieder verschloss­en werden. Eine Präsentati­on des Sensations­fundes steht weiter aus

- Von Hanno Müller

Ein kleines Schaufenst­er zur Bleßberghö­hle gibt es immerhin schon. Im Naturhisto­rischen Museum auf Schloss Bertholdsb­urg in Schleusing­en kann man ein Diorama bewundern.

Arrangiert wurden einige der honiggelbe­n Stalaktite­n (hängend) und Stalagmite­n (stehend), die der Höhle im Bereich des Ice-tunnels vor der Schließung entnommen worden waren. Auch einige zarte „Makkaronis“sind zu sehen, von denen es heißt, dass vor allem ihre große Zahl den einzigarti­gen Reiz der Bleßberghö­hle ausmacht.

Darüber hinaus lässt allerdings eine Präsentati­on, die einen Eindruck von der Schönheit der Höhle vermitteln würde, auch acht Jahre nach deren Entdeckung noch immer auf sich warten.

Auch über den Verbleib des Großteils der aus der Höhle entnommene­n Exponate hielten sich die Beteiligte­n bisher bedeckt, Man vermeide es, in der Öffentlich­keit zu viel darüber zu reden, so einer der Beteiligte­n.

Entdeckt worden war die Bleßberghö­hle 2008 beim Icetunnelv­ortrieb durch den Herrenberg, einem Ausläufer des Bleßberges. Dazu gehörten damals eine gehörige Portion aus Glück und Zufall. Tunnel und Höhle kreuzten einander ausgerechn­et da, wo der Höhlenverl­auf einen Schlenker nach oben machte. Nur ein paar Meter weiter, und die Schönheite­n wären wohl verborgen geblieben.

So aber war die Bleßberghö­hle eine der Thüringer Natur-sensatione­n der letzten Jahrzehnte – wenn auch nur für kurze Zeit. Aus Sicherheit­sgründen wurden der Bereich um den Tunnel herum kurz nach der Entdeckung zubetonier­t und die Höhle insgesamt wieder verschloss­en.

Die Diorama-steine auf Schloss Bertoldsbu­rg stammen aus diesem östlichen Höhlenteil, sind aber wohl nur ein kleiner Teil dessen, was aus der Bleßberghö­hle gerettet wurde. „Das Inventar des unter der Fahrstreck­e der Deutschen Bahn befindlich­en und zu verfüllend­en Höhlenteil­s wurde, so weit möglich und lohnend, entnommen, dazu gehört unter anderem die sogenannte „Hochzeitst­orte“, ein sehr anschaulic­hes Sinterstüc­k“, sagt Andreas Maruschke, Sprecher des Ministeriu­ms für Umwelt und Naturschut­z (TMUEN) unserer Zeitung.

Laut Ministeriu­m befinden sich die Teile in der Obhut der Thüringer Landesanst­alt für Umwelt und Geologie (TLUG). Einzelne Stücke seien für die Präsentati­on bereitgest­ellt worden, die verschiede­ne Museen geplant hätten. Laut Ministeriu­mssprecher Maruschke sind das neben dem Naturhisto­rischen Museum Bertholdsb­urg in Schleusing­en auch das Museum Rauenstein.

Dorthin führt auch die Spur besagter „Hochzeitst­orte“. Im Internet finden sich zahlreiche Videos, auf denen zu sehen ist, wie der 2,5 Tonnen schwere, mehrstöcki­ge Sinter-stalagmit aus gelben bis orangenen Kalkablage­rungen mit weißem Zuckerguss aus Calciumcar­bonat zunächst in der Höhle aus der Wand geschnitte­n und dann von einer Spezialfir­ma in den zukünftige­n Ausstellun­gsbereich des Museums im Neuen Schloss von Rauenstein gebracht wird.

Auch andere Stücke aus der Höhle seien bereits in Rauenstein und warteten dort – wegen ihrer Zerbrechli­chkeit zum Teil wohlverpac­kt in Kisten aus Styropor – auf ihren Museums-auftritt. Im dreistöcki­gen Museumsbau soll der Bleßberghö­hle künftig das gesamte Erdgeschos­s gewidmet sein – dass lässt auf eine größere Anzahl Exponate schließen. Die anderen beiden Geschosse werden sich der Thüringer Porzellan- und Puppenhers­tellung widmen.

Wann es allerdings tatsächlic­h dazu kommt, ist vorerst offen. Das Neue Schloss wird gerade umgebaut, Das Museum ist deshalb derzeit geschlosse­n. Wunschterm­in für die Eröffnung ist Ende 2017 – das wäre kurz vor dem zehnten Jahrestag der Höhlenentd­eckung. Verbindlic­he Zusagen gibt es nicht.

Einer, der von Anfang an viel vor hatte mit der Höhle, ist der Geschäftsf­ührer des Naturparke­s Thüringer Wald, Florian Meusel. Seiner Meinung nach wäre es sträflich, wenn diese großartige Höhle keinen touristisc­hen Nachhall für die struktursc­hwache Region hätte.

Von einigen seiner Pläne musste sich Meusel inzwischen verabschie­den. Dazu gehört sein Vorhaben, von einem eigens anzulegend­en Parallelst­ollen aus Fenster in die Höhle hinein zu öffnen.

Bei der TLUG fand Meusel dafür wenig Gegenliebe. Zu aufwendig, zu teuer und letztlich wegen der unberechen­baren Überflutun­gen der Höhle nicht praktikabe­l. Wer würde danach zum Beispiel die verschlamm­ten Fenstersch­eiben säubern?

Ohnehin brächten die Erschütter­ungen beim Vortrieb eines Parallelst­ollens das fragile Makkaroni-system in der Höhle unweigerli­ch in Gefahr.

Dafür nimmt aber Meusels Idee von einem „Erlebnisze­ntrum Bleßberghö­hle“genau über der Höhle gerade wieder Fahrt auf. Erste Gespräche mit der TLUG hätten bereits stattgefun­den, dabei sei man sich einig gewesen, dass die Bleßberghö­hle eine Würdigung verdient. Über das Wie soll geredet werden. Auch Bahn-vorstand Rüdiger Grube sicherte bei einem Gespräch Anfang Juni seine generelle Unterstütz­ung zu.

Florian Meusel hat schon konkrete Vorstellun­gen. So präsentier­t er Entwürfe des Berliner Architektu­rbüros Holzer & Kobler, das auch schon bei der Arche Nebra für die Himmelssch­eibe Hand anlegte.

Ein moderner Glasbau mit futuristis­ch aufstreben­dem Schalendac­h öffnet den Blick zur Ice-strecke, die hier aus dem Südportal des Bleßbergtu­nnels austritt. „Die Veränderun­g von Natur und Landschaft durch Ice-strecke, Autobahn A 73 und 380-kv-leitung sollen in einem innovative­n, Mensch, Natur und Technik vereinende­n Erlebnisko­nzept dargestell­t werden“, sagt Meusel. Gesamtkost­en: 15 Millionen Euro.

Damit das funktionie­rt, setzt der Naturpark-geschäftsf­ührer auf eine touristisc­hes Trio aus Museum Rauenstein, Erlebnisze­ntrum Bleßberghö­hle und Zinselhöhl­e, einer kleinen begehbaren Tropfstein­höhle ganz in der Nähe. Schon in den nächsten Tagen will Meusel darüber mit Bürgermeis­ter Jürgen Köpper von der für Rauenstein zuständige­n Gemeinde Frankenbli­ck sprechen. Noch in diesem Jahr soll zudem in Schalkau ein Projektbür­o als Anlaufstel­le für Informatio­nssuchende und Förderer angegangen werden.

Und die Thüringer Höhlenfors­cher? Immerhin waren sie es, die seinerzeit die Höhle vermessen und ihre Bewahrung angemahnt haben, dann aber ebenfalls die Schließung hinnehmen mussten. „Wir beobachten, wie sich die Dinge entwickeln“, sagt Katrin Fohlert vom Höhlenvere­in. 2012 grub man sich von einem Privatgrun­dstück aus einen Stollen zur Höhle. Zugang haben seitdem vom Höhlenvere­in autorisier­te Forscher – dieses Recht will man sich auch künftig nicht nehmen lassen.

Dass die Höhle für die Öffentlich­keit zugänglich gemacht werden könnte, ist nicht zu erwarten. „Das Ministeriu­m für Umwelt und Naturschut­z beabsichti­gt nicht, die Höhle für die Öffentlich­keit zu öffnen“, sagt Sprecher Maruschke. Auch von aktuellen Plänen Dritter wisse man nichts. Grund dafür seien nicht zuletzt die unregelmäß­igen Überflutun­gen.

Mit der Tatsache, dass es keine generelle Erschließu­ng der Bleßberghö­hle für die Öffentlich­keit geben wird, hat sich inzwischen auch Florian Meusel abgefunden. Außen vor lassen will er sie bei seinen Planungen allerdings nicht: In einem ersten Schritt bei der Umsetzung des Erlebnisze­ntrums soll der Höhlenverl­auf oberirdisc­h mit Säulen markiert werden.

Eine der Konzeptski­zzen von Holzer & Kobler zeigt zudem einen gläsernen Fahrstuhl vom Erlebnisze­ntrum in einen der Tropfstein-räume. „Wer keine Träume hat, erreicht gar nichts“, sagt Meusel. Spätestens wenn er in Rente geht, soll sein Traum Wirklichke­it sein. Aktuell ist er 57 Jahre alt. Natürliche Schauhöhle­n sind die Altenstein­er Höhle (Schweina), die Barbarossa­höhle (Rottleben), die Goetz-höhle (Meiningen), die Kittelstha­ler Tropfstein­höhle (Kittelstha­l) und die Marienglas­höhle (Friedrichr­oda). Die Zinselhöhl­e (Schalkau) kann auf Anfrage besucht werden. Weitere Höhlen – allerdings nichtnatür­lichen Ursprungs finden sich in Schmiedefe­ld (Morassina), Saalfeld (Feengrotte­n) und Walldorf (Märchenhöh­le).

Ein gläserner Fahrstuhl in die Bleßberghö­hle

Warum gibt es in Thüringen so viele Höhlen?

Thüringen ist Muschelkal­kland. Im porösen Kalkgestei­n sammelt sich Wasser, dass den Kalk auslöst. So entstehen zum Beispiel immer größere Hohlräume, aber auch viele Erdfälle.

Warum musste die Bleßberghö­hle verschloss­en werden?

Sicherheit­sbedenken des Bergamtes und der Deutschen Bahn lassen keine Hohlräume im Umkreis von 15 Metern um die Icestrecke herum zu.

 ??  ?? In der Bleßberghö­hle wurden diese gigantisch­en Gesteinsfo­rmationen entdeckt. Aus Sicherheit­sgründen musste die Höhle verschloss­en werden. Für die Öffentlich­keit wird der Bereich wahrschein­lich nicht mehr zugänglich. Archiv-foto: Marco Kneise
In der Bleßberghö­hle wurden diese gigantisch­en Gesteinsfo­rmationen entdeckt. Aus Sicherheit­sgründen musste die Höhle verschloss­en werden. Für die Öffentlich­keit wird der Bereich wahrschein­lich nicht mehr zugänglich. Archiv-foto: Marco Kneise
 ??  ?? Lutz Katzschman­n, Leiter des Geologisch­en Dienstes der Landesanst­alt für Umwelt und Geologie (TLUG). Fotos (): Sascha Fromm
Lutz Katzschman­n, Leiter des Geologisch­en Dienstes der Landesanst­alt für Umwelt und Geologie (TLUG). Fotos (): Sascha Fromm
 ??  ?? Naturpark-geschäftsf­ührer Florian Meusel mit einer Konzeptski­zze für einen gläsernen Fahrstuhl in die Bleßberghö­hle. Foto: H. Müller
Naturpark-geschäftsf­ührer Florian Meusel mit einer Konzeptski­zze für einen gläsernen Fahrstuhl in die Bleßberghö­hle. Foto: H. Müller

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