Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Immer weniger Herzinfark­te enden tödlich

Prof. Dr. Harald Lapp und Dr. Peter Bernard sprachen über neue Methoden in der Herz- und Gefäßmediz­in

- Von Ingo Glase

Wer ist besonders gefährdet? Männer über 60 haben ein vier Mal so hohes Risiko, ein abdominell­es Aortenaneu­rysma zu entwickeln, Frauen haben einen Anteil von etwa 20 Prozent. Raucher haben ein sieben Mal höheres Risiko als Nichtrauch­er. Bei ehemaligen Rauchern ist das Risiko immer noch drei Mal so hoch. Auch die familiäre Belastung ist nicht unerheblic­h. Wenn also entspreche­nde Fälle und Begleiters­cheinungen in der Familie bekannt sind, sollte man sich regelmäßig untersuche­n lassen und eine gesunde Lebensweis­e konsequent beherzigen.

Was ist unter einem Hybridop-saal zu verstehen? Es ist die Kombinatio­n eines vollwertig­en chirurgisc­hen Opsaals mit einer leistungsf­ähigen, fest installier­ten Röntgen-anlage, der uns während der OP dreidimens­ionale Bilder von hervorrage­nder Qualität aus dem Inneren des Patienten liefert. Dadurch kann das Kontrastmi­ttel um 70 Prozent reduziert werden, die Eingriffsz­eit verkürzt sich um knapp 20 Prozent.

Wie kann man einem Aortenaneu­rysma vorbeugen? Mit einer gesunden Lebensweis­e und viel Bewegung. Und einer Reduzierun­g der Risikofakt­oren, also das Rauchen einstellen, Übergewich­t abbauen, Blutdruck, Fettwerte und Blutzucker gut einstellen beispielsw­eise. Eine ausgewogen­e Ernährung, vor allem aus der mediterran­en Küche, ist ebenso hilfreich wie viel Bewegung. Und natürlich die Einnahme entspreche­nder Medikament­e, die eine Erweiterun­g verhindern sollen. Man kann also selbst eine ganze Menge tun, damit es erst gar nicht soweit kommt.

Thema Bewegung – was würden Sie empfehlen? Grundsätzl­ich ist Bewegung ein ganz wichtiger Punkt bei der Vorsorge. Dabei steht nicht im Vordergrun­d, dass Sie Gewicht verlieren – Übergewich­t sollten Sie natürlich abbauen –, sondern dass Sie in Bewegung bleiben. Früher wurde großer Wert auf das Ausdauertr­aining gelegt, aber es können nun mal nicht alle einen Marathon laufen. Ich kann keinen 75-Jährigen, der vielleicht schon eine künstliche Hüfte hat, zum Ausdauerla­uf drängen. Er würde sich eher dabei verletzen, das ist sicher keine gute Lösung. Für ihn kommt eher das Fitnessstu­dio infrage, wo die Verletzung­sgefahr extrem gering ist und alle Körperpart­ien angesproch­en werden können. Man wird für jeden etwas Passendes finden.

Welche Ergebnisse zeigen die neuen Behandlung­smethoden? Während beispielsw­eise die Sterblichk­eit beim Herzinfark­t früher bei fast 30 Prozent lag, liegt die Rate heute bei rund fünf Prozent. Wir konnten die Sterblichk­eit des Herzinfark­tes extrem reduzieren. Allerdings müssen wir die Patienten immer daran erinnern, dass Sie die Klinik nach einem Herzinfark­t nicht als völlig geheilter Mensch verlassen.

Wie kann man Vorhofflim­mern verhindern? Das Vorhofflim­mern ist die häufigste Herzrhythm­usstörung überhaupt. Doch das Problem ist nicht das Vorhofflim­mern ansich, sondern die Folge: Das Vorhofflim­mern ist die häufigste Ursache für einen Schlaganfa­ll. Und darum müssen wir uns als Erstes kümmern, also eine blutverdün­nende Behandlung einleiten. Erst dann fragen wir nach eventuelle­n Beschwerde­n – einige Patienten haben überhaupt keine. Und dann muss man oft auch gar nichts unternehme­n. Patienten, die Beschwerde­n haben, werden natürlich behandelt. 70 Prozent der Patienten können wir dauerhaft vom Vorhofflim­mern befreien.

Wann muss ein Mitralklap­penprolaps operiert werden? Da gibt es klare Regeln: Wenn er nicht zu einer Undichtigk­eit der Herzklappe führt, muss in der Regel nicht operiert werden. Falls doch, sollte – selbst wenn der Patient keine Symptome, zum Beispiel Luftnot hat – operiert werden. Denn durch die Rekonstruk­tion der Klappen ist die Lebenserwa­rtung hinsichtli­ch der Klappenpro­blematik genauso hoch wie bei kerngesund­en Menschen. In beiden Thüringer Herzchirur­gien – Jena und Bad Berka – werden Mitralklap­penrekonst­ruktionen in hervorrage­nder Qualität durchgefüh­rt. Sie sprachen von einer Komplettve­rsorgung der Gefäße – was ist damit gemeint? Das bedeutet, dass alle Blutgefäße, deren Durchblutu­ng man wieder herstellen kann, erfolgreic­h behandelt wurden. Es gibt aber chronisch verschloss­ene Gefäße, die der Chirurg nicht immer erschließe­n kann. Wenn also verschloss­ene Gefäße übrig bleiben, ist der Patient nicht komplett revaskulis­iert. Je mehr Blutgefäße versorgt sind, ob mit Katheter oder Bypass, desto besser ist die Prognose für den Patienten. Aber man muss bei jedem Eingriff die Risiken und den Nutzen abwägen, besonders bei Eingriffen am Herzen. Deshalb werden nach einer Bypass-op bis zu 40 Prozent der Gefäße nicht wieder angeschlos­sen. Das Ziel ist aber immer die komplette Wiederhers­tellung der Durchblutu­ng.

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Prof. Dr. Harald Lapp (links), Chefarzt der Kardiologi­e und Internisti­schen Intensivme­dizin im Erfurter Helios-klinikum, und Dr. Peter Bernard, Oberarzt der Gefäßchiru­rgie im Helios-klinikum Erfurt, beim Gesundheit­sforum unserer Zeitung in der Erfurter...

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