Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Grenzenloser Fußball
Axel Eger über die größte EM in einem groß gewordenen Europa
Mannschaften in Frankreich – die größte Endrunde aller Zeiten steht auch für das mit 28 Eu-staaten größte Europa, das es je gab. Aus der Mini-premieren-em 1960 mit vier Teams – die Finalisten Sowjetunion und Jugoslawien gibt es nicht einmal mehr – wurde ein Turnier, das zunächst zwei Wochen lang darum spielt, acht Mannschaften raus zu kicken. Eine verlängerte Qualifikation.
Dass die Euro so wachsen konnte, hängt nicht nur mit den kontinentalen Strukturen zusammen, sondern eng mit dem, was die deutsche Fußballliga am Tag vor dem Em-start mit der Vergabe der Tv-rechte verkündete: einen Milliardengewinn.
Fußball ist der gemeinsame Nenner, mit dem sich immer rechnen lässt. Risikolos. Zu jeder Zeit. Auf allen Kanälen.
Fußball im Fernsehen ist grenzenlos, weil das Spiel selbst grenzenlos ist. Der Markt der Spieler und die Kraft der Transfers funktioniert über alle Länder hinweg. Und die Euro nimmt jeden auf, längst auch die Kleinen, die Isländer, Albanier, Slowaken. Selbstverständlich die Türkei. Russland und die Ukraine sogar gemeinsam.
Zugleich kehrt der Ball für vier Wochen in seine ursprünglichen Grenzen zurück. Er bietet die nationale Identität, die nur er zu stiften vermag. Eine an vielen Enden erodierende Gesellschaft rückt plötzlich emotional zusammen. Der Fußball lebt vor, was dem wahren Leben noch nicht gelingt: ein gemeinsames Europa, das alle mitnimmt und sich zugleich unverkrampft seiner regionalen Stärken besinnt. St. Denis. Dimitri Payet hat die Équipe tricolore gleich zum Auftakt der Fußball-europameisterschaft vor einem Stimmungsdämpfer bewahrt. Das Gastgeber-team von Welt- und Europameister Didier Deschamps kam gestern Abend gegen starke Rumänen erst spät zum 2:1-Erfolg und feierte damit wie 1984 bei der Heim-em und 1998 bei der WM im eigenen Land einen Auftaktsieg.
Nach einer bunten Gute-laune-eröffnungsfeier taten sich die Franzosen von Beginn an ziemlich schwer, erst in der 57. Minute gelang Mittelstürmer Olivier Giroud mit dem Hinterkopf der Führungstreffer, kurz vor dem Ende traf Payet (89.), nachdem zuvor Bogdan Stancu (65.) per Foulelfmeter für die Rumänen den Ausgleich erzielt hatte
Auf den Tribünen löste der Erfolg großen Jubel aus und hat die Grande Nation in Em-stimmung versetzt. In ihrem zweiten Spiel der Gruppe am Mittwoch in Marseille gegen Albanien kann die Gastgeber-elf den Einzug in die nächste Runde wohl schon perfekt machen, ohne ihre Titelambitionen zu unterstreichen. Aber auch die Rumänen haben noch die Möglichkeit auf die Achtelfinalteilnahme.
Von der Leichtigkeit, der Lebensfreude und dem Schwung der farbenfrohen Eröffnungsfeier war nach dem Anpfiff erstmal nichts zu sehen. Der von den Rumänen erwartete französische Sturmlauf blieb aus. Um Zentimeter verpassten stattdessen die Osteuropäer nach nur vier Minuten den Führungstreffer. Bogdan Stancu zielte aus drei Metern auf Frankreichs Kapitän und Torwart Hugo Lloris. Der Kopfball von Florin Andone nach der anschließenden Ecke landete auf dem Tornetz. Mit Unterstützung ihrer Fans befreiten sich die Spieler der Équipe tricolore von der Last, und begannen ihrerseits die Rumänen unter Druck zu setzen.
Giroud hatte in der 10. Minute die erste Gelegenheit für die Franzosen, die beste vergab Griezmann. Der Stürmer von Atlético Madrid köpfte in der 14. Minute aus kurzer Distanz an den Pfosten und scheiterte in der 36. Minute einem Schuss aus vollem Lauf nach Pass von Payet nur knapp. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit verfehlte Girouds Kopfball das Tor ebenfalls nur knapp.
Die von „General“Anghel Iordanescu zum dritten Mal betreuten Rumänen, die nur einmal in der Em-geschichte eine Vorrunde überstehen konnten, vertrauten ihrer bewährten Defensivstrategie. Schon in der Qualifikation zur Endrunde ließ der Em-viertelfinalist von 2000 in zehn Spielen nur zwei Gegentreffer zu und an diesem gut organisierte Abwehrbollwerk bissen sich auch die Gastgeber lange Zeit die Zähne aus. Zudem setzten die Osteuropäer weitere Nadelstiche: Stancu verpasste völlig unbedrängt in der 48. Minute den Führungstreffer.
Doch im zweiten Abschnitt wurde der Druck der Franzosen größer. Giroud und Paul Pogba scheiterten noch am rumänischen Torhüter Ciprian Tatarusanu, ehe der Keeper nach einer Flanke von Payet daneben griff und Giroud das 1:0 per Kopf gelang. Nur acht Minuten später nutzte Stancu einen Strafstoß zum Ausgleich. Der Torschütze war zuvor von Patrice Evra gefoult worden. In der Schlussphase drängten die Franzosen sehr und kamen durch Payets Distanzschuss zum Siegtreffer.
Frankreich: Lloris – Sagna, Rami, Koscielny, Evra – Pogba (77. Martial), Kanté, Matuidi – Griezmann (66. Coman), Payet (90. +2 Sissoko) – Giroud. Rumänien:tatarusanu – Sapunaru, Chiriches, Grigore, Rat – Stanciu (72. Chipciu), Pintilii, Hoban – Popa (82. Torje), Stancu – Andone (61. Alibec) Sch.:kassai (Ungarn); Z:: 80 100 (ausverkauft); T.: 1:0 Giroud (58.), 1:1 Stancu (65./FE), 2:1 Payet (89.).
Die Bilder von Bastian Schweinsteiger aus dem Wm-finale 2014 gegen Argentinien sind unvergessen. Es war imponierend, wie er trotz Krämpfen und einer tiefen Wunde unter dem rechten Auge die Mannschaft in der Verlängerung mitriss. Damals war Schweinsteiger angeschlagen ins Turnier gegangen. Und auch jetzt vor der EM ist unser Kapitän nach seiner Knieverletzung noch lange nicht bei hundert Prozent seines Vermögens.
Kann er dennoch wieder zum Helden werden? Ich bin skeptisch. Bastian sagt zwar, dass er sich fitter fühlt als vor der WM. Aber er ist zwei Jahre älter geworden. Und die biologische Uhr tickt unerbittlich. Löws Entscheidung für Schweinsteiger ist dennoch richtig. Gerade in einem solchen Turnier brauchst du erfahrene Spieler.
Die Frage der Kapitänsbinde selbst wird in der Nationalmannschaft indes überschätzt. Das ist im Verein anders. In meinen zwei Jahren als Kapitän des FC Bayern wusste ich, dass es genügend Kollegen gibt, die auch gern dieses Amt hätten. Du musst Leistung bringen, in jedem Spiel, um die Rolle des Spielführers zu verteidigen. In der Nationalelf kommt es viel mehr auf eine gesunde Struktur an, auf echte Leader, die Joachim Löw mit Manuel Neuer, Jerome Boateng oder Sami Khedira zum Glück zu Genüge hat. Deshalb ist der Druck auf Schweinsteiger nicht so groß, Deutschland hat genügend Qualität, um auch ohne ihn Europameister werden zu können. Andriy Bagatelya (50), Ukrainischer Physiotherapeut in der Erfurter Praxis Fila
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