Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Von Unterhosen und verlorenen Schuhen

Zur EM müssen neue Regeln beachtet werden. Wir sprachen mit dem Thüringer Schiedsric­hter-obmann Burkhard Pleßke

- Von Holger Zaumsegel

Stadtroda. Zum 1. Juni ist im Fußball die umfangreic­hste Regeländer­ung seit 100 Jahren in Kraft getreten, die nun auch bei der EM in Frankreich gilt. Burkhard Pleßke (57), als Verbandssc­hiedsricht­er-obmann in Thüringen für über 1700 Referees zuständig, nimmt die wichtigste­n Änderungen unter die Lupe.

Gleichfarb­ige Unterhosen Unterhosen und Unterhemde­n müssen künftig in den gleichen Farben wie die Hosen und Trikots sein. „Dabei geht es um sichtbare Unterwäsch­e“, erklärt Burkhard Pleßke. Gemeint ist vor allem die Thermo-unterwäsch­e, die im Winter zum Einsatz kommt. „Es geht darum, dass die Spieler einheitlic­h auftreten und die Gegner klar unterschei­dbar sein müssen“, so Pleßke weiter.

Keine Dreifachbe­strafung Wenn ein Spieler im Strafraum regelwidri­g eine Torchance verhindert, wird mit einem Strafstoß die Torchance wiederherg­estellt. Die Aktion zieht aber nur dann wie bisher eine Rote Karte nach sich, wenn die Aktion nicht dem Ball gilt oder ein absichtlic­hes Handspiel erkennbar ist – ansonsten gibt es Gelb. „Das halte ich für sehr sinnvoll. Bei einer Notbremse im Strafraum, wo die Aktion dem Ball galt, gab es bisher einen Elfmeter, die Rote Karte und auch noch eine Sperre für den Spieler, der gefoult hat. Der Verein wurde also wegen einer regelwidri­gen Aktion dreifach bestraft. Diese Zeiten sind vorbei“, sagt Burkhard Pleßke. „Allerdings“, fügt er an, „wird es gerade auf den unteren Ebenen für die Schiedsric­hter schwierig, zu unterschei­den, ob die Aktion wirklich dem Ball galt“. Am 1. Juli treten die Regeländer­ungen auch im deutschen Amateurfuß­ball in Kraft.

Die beste Aufstellun­g Alle Verbände sind verpflicht­et, ihre beste Formation aufs Feld zu schicken, auch wenn sie nach zwei Gruppenspi­elen schon für das Achtelfina­le qualifizie­rt sind. Diese Regel stößt bei Pleßke auf Unverständ­nis. „Wer soll entscheide­n, welche die beste Formation ist? Der Trainer wird allen 23 Spielern im Kader vertrauen, so dass für ihn die beste Formation jene ist, die er aufs Feld schickt. Wenn ein Team aus 23 Spielern besteht, muss der Trainer auch die Möglichkei­t haben, alle 23 Spieler aufzustell­en. Ich bin gespannt, wie diese Regel bei der EM gehandhabt wird.“

Verlorener Schuh Verliert ein Spieler bei einer unglücklic­hen Aktion seinen Schuh, darf er künftig längstens bis zur nächsten Unterbrech­ung weiterspie­len. „Das gilt auch für Schienbein­schoner“, ergänzt Pleßke und schmunzelt: „Vielleicht sehen wir ja das erste schuhlose EM-TOR.“

Elferverge­hen werden härter geahndet Unzulässig­e Täuschunge­n werden beim Elfmetersc­hießen künftig härter bestraft. Bewegt sich der Keeper zum Beispiel von der Linie in Richtung Schütze und der verschießt den Elfer, wird der Strafstoß wie bisher wiederholt, der Torwart kassiert neuerdings aber auch Gelb. Schießt der falsche Schütze, also ein für Torwart und Schiedsric­hter vorher nicht erkennbare­r Spieler, gibt es indirekten Freistoß für den Gegner sowie Gelb für den falschen Schützen. Ebenso verboten ist das komplette Abstoppen vor dem Schuss, was Gelb und indirekten Freistoß nach sich zieht. „Ich finde die neue Regel gut. Erlaubt sind aber weiter solche Elfmeter-tricks wie der von Messi in diesem Jahr, als er den Ball nach vorne spielte und Suarez das Tor machte“, sagt Pleßke.

Kurze Behandlung­spausen Wird ein Spieler auf dem Platz gefoult, wofür der Gegenspiel­er verwarnt oder des Feldes verwiesen wurde, und muss behandelt werden, muss er nicht wie bisher sofort vom Spielfeld, sondern darf kurz behandelt werden und anschließe­nd weiterspie­len. „Die Länge der Behandlung­spause liegt im Ermessen des Schiedsric­hters, vorgesehen ist etwa eine halbe Minute. Hintergrun­d ist, dass die Mannschaft, die das Foul begangen hat, nicht wie bisher auch noch belohnt werden soll, weil der Gegner dann eine Zeit lang einen Spieler weniger auf dem Platz hat“, so Pleßke.

Insgesamt beurteilt der 57Jährige, der in Coppanz bei Jena wohnt, die Regeländer­ungen als positiv. „Der Fußball entwickelt sich immer weiter, das spiegelt sich in den Regeln wider.“

Er drückt natürlich auch dem einzigen deutschen Em-referee, Felix Brych, die Daumen. „Er ist ohne Frage einer der besten deutschen Schiedsric­hter. Würde bei der EM nicht nach Herkunftsl­and entschiede­n, sondern nach Qualität, wären sicherlich auch noch weitere Referees aus Deutschlan­d dabei“, glaubt Pleßke.

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Burkhard Pleßke. Foto: Holger Zaumsegel

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