Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Geschichten um Steinkreuze im Weimarer Land In einem hübschen Großromstedter Garten verbirgt sich ein gerettetes Steinkreuz
Ein seit 1907 freigelegtes elbgermanisches Urnengräberfeld mit charakteristischen, unverwechselbaren Merkmalen sorgte dafür, dass der kleine Ort Großromstedt auf der Ilm-saale-platte in der Archäologie weithin bekannt und namensgebend für eine frühgeschichtliche Kulturgruppe wurde.
Die Feldfluren zwischen den nicht weit voneinander entfernten Orten Großromstedt, Kötschau, Hohlstedt und Kapellendorf beherbergten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mehrere Steinkreuze, von denen aber keines mehr am originalen Standort steht und einen lange Zeit unguten Umgang mit diesen Kleinoden vor Augen führen. Das „Großmutter“-steinkreuz von Kötschau ist 1975 kurz vor einer geplanten Entsorgung von Karl Moszner (1926–2015) sichergestellt und in die Wasserburg Kapellendorf gebracht worden.
Über das eigentümlich verformte Steinkreuz, dessen Form aus der Ferne wie eine gebeugt gehende ältere Frau wirkte, wurde bereits berichtet.
Wie eine ganze Reihe weiterer Steinkreuze rund um Weimar, Jena bis hin zum Holzland ist es im 19. Jahrhundert rigoros zum Wegweiser umgearbeitet worden; ausgehend von einer großherzoglichen Verordnung zur Markierung der Wege und Straßen von 1816, aktualisiert 1832 und 1844. Um dieser Pflicht Genüge zu tun, gingen die Gemeinden einfallsreich vor und verwendeten kostensparend auch ältere Steinsetzungen in ihren Fluren dazu. Die althergebrachte Ehrfurcht vor den alten Steinen in Kreuzform war schon im 19. Jahrhundert weitgehend verloren gegangen.
Als im Mai die Flurwanderung des Vereins für Ortsgeschichte Großschwabhausen nach Großromstedt führte, staunten die Teilnehmer nicht schlecht über ein mitten im Ort versteckt stehendes, eher unscheinbares Steinkreuz. Dass es erhalten blieb und hier einen neuen Platz fand, ist dem heimatverbundenen Einwohner Dietrich Oßwald (1927 –2011) zu verdanken, der es 1980 halb verschüttet in einem Graben zwischen Kapellendorf und Hohlstedt auffand.
Rasch stellte sich seinerzeit heraus, dass das Kreuz vorher am Kapellendorfer Sperlingsberg in Steinwurfweite vom geretteten „Müller-röschen“kreuzstein entfernt stand und von dort zehn Jahre zuvor plötzlich verschwunden war. So bekam Großromstedt sozusagen ein Steinkreuz zurück, nachdem ein dort am östlichen Ortsrand stehendes Steinkreuz bereits 1968 zerschlagen und seine Bruchstücke zur Ausbesserung des Weges nach Kötschau Verwendung gefunden hatten – ein aus heutiger Sicht schier unglaublicher Vorgang!
Ebenso wie die „Großmutter“, die den Weg nach Kötschau und Vierzehnheiligen anzeigte, ist auch dieses Steinkreuz nachträglich zum Wegweiser umgearbeitet worden. Nur ein Foto von 1957 kündet noch von diesem Kreuz.
Das gilt auch für ein weiteres, viertes Steinkreuz, das zwei Jahre später von dem Jenaer Steinkreuzfreund Hans Fischer „bei Kapellendorf, am Wege nach Hohlstedt“fotografiert wurde. Es muss kurz darauf verschwunden sein und hinterließ keine Erwähnung im Schrifttum.
Auch dieses Kreuz zeigt die typischen Spuren der Umarbeitung zum Wegweiser mit Abtrennung von Kopf und Arm sowie Glättung eines Textfeldes. Rein äußerlich ähneln sie sich in diesem engen Gebiet mit ihrer niedrigen Höhe, dem Muschelkalk und der etwas gedrungenen Form, was auf doch recht späte Entstehung erst im Laufe des 16. Jahrhunderts hindeutet. Ihr Verlust ist höchst bedauerlich, aber vielleicht tauchen Bruchstücke oder gar das vermisste Kreuz doch wieder irgendwo auf.
Zu Wegweisern umgearbeitet