Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Herren von Schloss Heidecksburg
Nach ihrem in Sömmerda angesiedelten Debüt schickt Julia Bruns ihr Ermittlerduo Friedhelm Bernsen und Timo Kohlschuetter nach Rudolstadt, wo sich nach einem Barockfest ein Mord ereignet hat
gerät Schlossdirektor Alexander P. von Wilden. Ein eitler Geck, der „auf dem ausgeschalteten Handy sein Spiegelbild“überprüft, „um mit seinem nassen rechten Zeigefinger die penibel gezupften Augenbrauen“nachzuziehen.
Der Mann ist seit zwei Jahren Direktor und bei seinen Mitarbeitern derart unbeliebt, dass ihn alle zum Teufel schicken würden. Nun trägt ausgerechnet der Tote Wildens Kostüm vom Fest des Vorabends.
Die Ermittler Bernsen und Kohlschuetter geraten in einen Kreis von Missgunst und Eitelkeiten, von echter und falsch verstandener Tradition, von Adel und Bürgertum. Von Wilden führt sich angeblich auf, als ob er nicht der Direktor eines staatlichen Museums wäre, sondern der Schlossherr auf der Heidecksburg.
So hat Kommissar Timo Kohlschuetter Gelegenheit, sein Wissen aus dem Heimatkundeunterricht in die zähen Ermittlungen einfließen zu lassen. Dass es dabei Fehler gibt, mag dichterische Freiheit sein. So wird gleich am Anfang erklärt, dass sich Thüringen nach dem Ersten Weltkrieg aus neun Fürstentümern gefügt hat. Dabei lernt man in der Schule, dass das Fürstentum Reuß mit seinen beiden Linien als ein Volksstaat eintrat. Zwischendurch gibt es immer wieder zur Schau gestellte Ost-west-vorurteile. So findet Hauptkommissar Friedhelm Bernsen zum Beispiel ein „Lehrbuch für Kriminalisten“aus dem Jahre 1955. Er erregt sich über die marxistisch-dialektische Denkmethode, die der Arbeit als ideologischer Anspruch zugrunde gelegt wurde.
Sein Ost-kollege Timo Kohlschuetter entgegnet, „dann wissen sie ja jetzt, warum die Aufklärungsquoten bei uns im Osten immer deutlich höher waren als im Westen“, und führt im inneren Monolog fort: „Wenn er sich sonst nur mal für die Leben der Menschen interessieren und sich nicht an diesem Blödsinn hochziehen würde.“Warum muss der Ostler eine derart devote Haltung annehmen, statt die Konfrontation auszuleben? Warum ist der Westler der ranghöhere Beamte? Das ist so altbacken , wie es überflüssig ist.