Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

S Nachbarlan­d Jordanien geflohen. – Begegnunge­n mit Menschen, die zum Warten verdammt sind

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Deutschlan­d zu erzählen, und von den Nachrichte­n über den Krieg und die Flüchtling­e. Sie hört schweigend zu, nickt. Es sei wohl gut so, sagt sie dann. Erzählen Sie den Menschen, wie wir leben.

Neben ihr liegt das Handy. In Syrien sind die Eltern zurückgebl­ieben und die Geschwiste­r. Manchmal vergehen Wochen, bis sie von ihnen hören. Bei jedem Klingeln des Telefons, sagt Swahiha, zuckt es hier drinnen. Sie legt die Hand auf die Brust. Sie hat Angst, es könnte eine schlechte Nachricht sein. Und die beruhigend­e Gewissheit, wenn einer von ihnen am Telefon ist, währt nicht viel länger als das Gespräch. Und dann kehrt sie zurück, die Angst.

Die Familie von Hussein Ali Mohammed hat nicht einmal eine Tür, die sie hinter sich schließen kann. Sie leben mit ihren drei Kindern in einem Zelt, zusammenge­zimmert aus Plastikpla­nen und Holzplanke­n. Auf einem Platz hinter einer Gärtnerei drängen sich mehrere solcher Behausunge­n. Dort leben Verwandte von Hussein, Flüchtling­e wie er, wenigstens ist man zusammen.

Wir steigen über Steine und Abfallhauf­en, dazwischen windet sich ein stinkender Rinnsal. Zwei Hunde balgen sich vor den Zelten. Dahinter glänzen die Folien von Gewächshäu­sern. Husseins Frau Asma hält den einjährige­n Sohn Moussa auf dem Arm, er weint, sie flüstert ihm etwas ins Ohr.wir mögen uns doch setzen, bitte. Die Sonne knallt auf das Plastikdac­h, heizt den Raum auf.

Seit zwei Monaten leben sie hier. Davor waren sie Zataari, dann im Süden, wo sie auf einer Gemüsefarm Bohnen gepflückt haben. Als es dort keine Arbeit mehr gab, bauten sie ihr Zelt ab. Sie hörten von einem Hausbesitz­er, der Flüchtling­e umsonst wohnen ließ, wenn sie sich um das Haus kümmern. Als sie ankamen, stellten sie fest, wie abgelegen der Ort war. Sogar um zum nächsten Geschäft zu kommen, hätten sie Geld für den Bus gebraucht.

So landeten sie am Rand dieser Gärtnerei, wo es in den Erdbeerfel­dern Arbeit gibt. Zu Hause, erzählt Hussein, hat er auf Baustellen gearbeitet. Mit einem Arbeitsver­trag und 1000 Dollar im Monat.

Und es soll wohl heißen: Wir lebten nicht immer so. Der Krieg hat die Familie aus Syrien vertrieben und jetzt treibt sie die Not von einem Ort zum nächsten. Wie lange sie hier bleiben? Hussein zuckt mit den Schultern. Er weiß es nicht.

In Zataari, wo Abu Muhammad den Schlüssel für sein Haus aufbewahrt, das es nicht mehr gibt, führt uns seine Frau in einen Blechversc­hlag hinter dem Container. Sie will uns noch etwas zeigen. Ihr Sohn Ahmad züchtet dort Tauben. Manchmal kauft jemand eine, aber dafür , sagt sie, tut er das nicht. Es ist einfach schön, sie zu sehen, sagt sie, und lächelt. Ahmad nimmt eine Taube in die Hand und lässt sie fliegen. Ein symbolhaft­es Bild, ich wünschte, es könnte helfen.

An diesem Tag meldeten die Agenturen, dass allein bei den bei Angriffen des IS in Dschabla und Tartus 159 Menschen starben.

Die Not treibt von einem Ort zum anderen

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ommer  kamen in manchen Nächten bis zu  Menschen hier an, die Helfer kamen mit dem Aufstellen der Zelte nicht nach. Die bt Schulen, Geschäfte und Straßen. Aber es bleibt ein Leben in der Warteschle­ife.
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Abu Mohammad mit seiner Frau Na‘ma , drei seiner Kinder und s nem alten Vater im Flüchtling­scamp Zaatari. Seit vier Jahren leben sie in diesem riesigen Camp u träumen von der Rückkehr in ein Leben, das es nicht mehr gibt.

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