Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Murks, bestenfalls
Jedwedes Vorhaben, auch das politische, hat im Grunde drei Möglichkeiten des Verlaufs. Die erste ist, wenn alles glückt. Ein kluges und notwendiges Gesetz, ausfinanziert und ordentlich administriert: Dies ist der Traum jedes politisch tätigen Menschen, der sich nur selten erfüllt, obwohl fast jeder Minister oder Abgeordneter sein letztes Werk als Beispiel nennen würde.
Dann gibt es natürlich noch das Scheitern. Oft fängt es schon mit dem Gesetz an. Niemand, außer seinem Erfinder, braucht es, zumal es oft ideologisch aufgeladen ist. Dies führt dazu, dass es auch praktisch eher schlecht funktioniert. Irgendwann wird es abgeschafft, vom Gericht, einer neuen Regierung oder dem Leben. Wir sagen jetzt einfach mal: Betreuungsgeld.
Die dritte Möglichkeit ist, so wie im Privaten auch, mit Abstand am häufigsten anzutreffen. Das Ziel war gut und ambitioniert, nur leider wurde der Weg dahin nicht wirklich durchdacht – weshalb auf der Strecke ständig neue Probleme auftauchen und man mehr Zeit oder Geld benötigt. Doch weil man irgendwann so weit gekommen ist, dass eine Rückkehr noch teurer würde, monetär wie politisch, wurschtelt man sich halt zu dem mehr oder minder misslichen Ergebnis durch.
Damit sind wie bei der Gebietsreform in Thüringen. Jedem dürfte einsichtig sein, dass sich Dörfer mit ein paar Hundert Einwohnern nicht mehr selbst sinnvoll verwalten können. Auch fällt es Landkreisen mit 60 000 oder 70 000 Einwohnern immer schwerer, die nötigen Behörden fachgerecht auszustatten – von den kreisfreien Pleite-städten wie Gera, Eisenach und Suhl ganz zu schweigen.
Ab 2004, zehn Jahre nach der letzten Gebietsreform, hätte hier deutlich nachgesteuert werden müssen, so wie es in Sachsen oder Mecklenburg-vorpommern geschah. Doch die CDU, die erst alleine und dann mit der SPD regierte, verhindert eine grundsätzliche Neuordnung, wobei die Motivlage zwischen Überzeugung und Parteifilzpflege mäanderte.
Die freiwilligen Fusionen, die auf Gemeindeebene stattfanden, ergaben manchmal Sinn und manchmal nicht. Ein ordnender Gedanke fehlte.
Viel wertvolle Zeit verstrich, derweil immer neue Kommissionen immer neue Papiere vorlegten. Doch als schließlich Rot-rot-grün anfing, gab es keine Ausreden mehr: Auch wenn Linke, SPD und Grüne wenig Lust auf den ganzen Ärger hatten, mussten sie sich zu dem bekennen, was die über Dekaden gefordert hatten.
Also taten sie das, was gerne bei leidigen Pflichtaufgaben getan wird: Die Reform wurde an das Innenministerium und Arbeitsgruppen delegiert. Sollten die doch machen.
Das Problem ist nur, dass der Innenminister eher zufällig auf seinen Posten gelangte. Er ist ein kluger Verwaltungsjurist, der aber von ländlicher Kommunalpolitik wenig Ahnung hat – und schon gar nicht davon, wie Mensch, Gemeinderat und Bürgermeister auf dem Dorf leben, denken und fühlen.
Das Problem ist auch, dass in den Arbeitsgruppen Abgeordnete und Beamte sitzen, die zwar mehr wissen, die aber nicht den politischen Instinkt und die Raffinesse besitzen, Dinge so zu formulieren und zu kommunizieren, dass sie verstanden werden.
Und das Problem ist, dass sich der Ministerpräsident, der das vielleicht könnte, aus allem heraus hält. Obwohl er einst tönte, dass erst die Aufgabenverteilung und die Verwaltungsreform geklärt werden müssten, um danach die Gebietsstrukturen daran auszurichten, lässt er die Dinge laufen.
Aus jetziger Sicht lässt sich feststellen, dass die Reform bestenfalls als Murks enden kann. Das, was zu den Gemeinden vorgelegt wurde, ist mindestens an der Stelle der Verwaltungsgemeinschaft grober Unfug. Und auch das, was man von der Kreisstruktur hört, lässt kaum auf Besserung hoffen.
Damit wachsen tatsächlich die Chancen, dass das Vorhaben ganz scheitert, vor dem Verfassungsgericht oder wegen eines Volksbegehrens. So etwas nennt sich schlechte Politik.