Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Die etwas andere Parlamentsdebatte
Bürger und Politiker stritten am Samstag im Plenarsaal über Gebietsreform und Cannabis. Es ging recht munter zu
Erfurt. Nicht immer ist der Plenarsaal bei Landtagssitzungen voll besetzt. Doch am Samstagnachmittag, zum Tag der offenen Tür, waren alle Reihen gefüllt. Mindestens 150 Besucher wollten hören, was die Vorsitzenden der fünf Fraktionen zu den aktuellen landespolitischen Streitthemen zu sagen hatten.
Und gestritten wurde in der Tat: Zwischen den Politikern, aber auch zwischen Bürgern und Abgeordneten – wobei es aber überwiegend sachlich blieb. „Landtag im Dialog“lautete der Titel der Veranstaltung, die eigentlich eine ganze Reihe ist. Parlamentspräsident Christian Carius (CDU) hat sie erfunden, um besser mit den Bürgern ins Gespräch zu bekommen und nebenher ein bisschen Werbung für das Hohe Haus zu betreiben.
Die von unserer Zeitung präsentierte Runde am Samstag geriet besonders munter. Es ging gleich los mit der Gebietsreform. Moderator Martin Debes las die Frage einer Ta-leserin vor, die sie eingeschickt hatte: Ob denn das Vorhaben am Ende etwas einspare? Cdu-fraktionschef Mike Mohring nutzte dies als Vorlage, um die bekannte Kritik seiner Partei zu wiederholen. Die Reform sei gleichermaßen unsinnig wie unnötig. Freiwillige Zusammenschlüsse reichten.
Susanne Hennig-wellsow (Linke), Matthias Hey (SPD) und Dirk Adams (Grüne) versuchten mit vereinten koalitionären Kräften, die Notwendigkeit größerer Kommunen zu begründen. Es gehe gar nicht ums Sparen, sondern um höhere Effizienz, sagten sie. Afd-fraktionschef Björn Höcke erklärte hingegen, die Reform schade dem ländlichen Raum. Im Übrigen sei es Zeit für eine neue Familienpolitik, die dazu führe müsse, dass wieder mehr Kinder geboren würden.
Die Fragen aus dem Publikum gestellt reichten von Straßenausbeiträgen über die Legalisierung von Cannabis (selbst Mohring war dafür, wenn es um medizinische Zwecke geht) bis hin zum Ddr-unrecht. Die schriftlich eingereichte Frage eines Talesers zur versprochenen Entschädigung für drangsalierte Ddr-schüler erwischte die Linke unvorbereitet. „Das müssen wir noch angehen“, sagte Hennig-wellsow.
Am Ende dauerte die Diskussion, in der keiner geschont wurde, eine halbe Stunde länger als geplant. Es gab Applaus, Buhs und Zwischenrufe, wie in einer richtigen Parlamentsdebatte. Der Präsident musste allerdings nicht von außen eingreifen: Ernsthaft beleidigt, wie es unter Abgeordneten schon mal vorkommt, wurde niemand.