Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Vom Läuten der Glocken
Menantes-preis für erotische Dichtung 2016 in Wandersleben: Eine Pfarrgemeinde und die Literatur des Leibes
Wandersleben. Die Glocke“, präludierte heiter der Pfarrer, „schlägt gerade 18 Uhr.“– und wollte so wohl die Zustimmung der obersten Autorität zu seinem Vorhaben signalisieren. Immerhin, wo der Papst in Rom mit seinen Leuten eine Debatte über bestimmte Aspekte der Sexualität anstößt, da macht der Pfarrer in Wandersleben, sozusagen, Nägel mit Köpfen.
Bereits zum sechsten Male riefen der Menantes-förderkreis der evangelischen Kirchengemeinde, dem Bernd Kramer vorsteht, und die Literaturzeitschrift „Palmbaum“, der wiederum Jens-fietje Dwars vorsteht, den Wettbewerb für erotische Literatur aus. Und das war, wie in jedem zweiten Jahr seit 2006, ein sehr schöner Tag im Sommer.
Der oasenartige, lebendig flirrende Pfarrhof mit seinen Kirschbäumen, die roten Blumen und die grünen Zweige auf den Tischen, die fröhlich gestimmten Menschen, versehen mit alkoholischen Getränken, die sehr gut anhörbare „String Company“– und das ganze schöne Arrangement zugeeignet der Literatur des Leibes.
Vom Läuten der Glocken sprach nicht nur Bernd Kramer, auch Paula sprach davon, als sie sich entschloss, diesem Reifenheini zu erlauben, künftig sie und ihre Kinder zu ernähren. „Aber vorher“, sagte sie, „lass ich noch mal richtig die Glocken läuten“. Meinte sie damit eine nachdenkliche, eine heitere, eine kritische Reflexion über was auch immer? Nein, sie meinte damit, sich von einem Kerl flachlegen zu lassen, von wem auch immer, wo auch immer, wie auch immer. Dann traf sie Paul.
Und darum geht es in der erotischen Literatur und das kam wiederum nicht vor in Wandersleben.
Dabei, es waren, hieß es, weit über 500 Einsendungen zu sichten und fünf Finalisten zu ermitteln. Die Jury vergab ihren Preis an Hellmut Opitz, das Publikum den seinen an Ingrid Svoboda. Diese Preisvergabe war, im Rahmen der fünf Finalisten, trefflich gewählt, indessen: Sie hatten, wie alle Vorträger dieses Abends wenig mit Erotik zu tun, der aufregendste Text des Abends war das zum Abschreiben aufgeschlagen ausliegende Hohe Lied der Schrift.
Das Problem mit dieser Literatur, sagte der moderierende Jens-fietje Dwars, sei, dass es entweder Softporno sei oder nicht prickele. Wieso eigentlich? Es scheint ein Problem der Jury, sich zu der Schnittmenge zu bekennen, die in einem solchen Falle die Literatur wohl mit dieser oder jener Spielart der Pornografie haben kann.
Diese Schnittmenge kann, wer mag, kritisch sehen, aber dann sollte er sich nicht der erotischen Literatur zuwenden. Was erotisch sein will, das muss auch ein bisschen geil sein wollen, und wer dem Kopfkino ein Drehbuch schreiben will, darf nicht auf dessen Jugendfreiheit bestehen.
Aber sonst war es sehr schön, und „The String Company“hat mit Marion Minkus nicht nur eine gute Sängerin, sondern, mit etwas gutem Willen, ein sehr erotisches Wort im Namen.