Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Fragile Sicherheit

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Axel Eger über die Eskalation der Gewalt in Marseille

Eine Nacht hat genügt und die Angst vor dem Terror wurde abgelöst vom Entsetzen über die Gewalt. Die EM war keine 24 Stunden alt, als schon vieles nicht mehr galt. Die Leichtigke­it der Eröffnungs­feier, die Hoffnung auf ein friedliche­s Fest des Sports.

Die blutigen Szenen von Marseille erinnern an die schwärzest­en Stunden des Fußballs. An Heysel und Hillsborou­gh. Und natürlich und vor allem an Daniel Nivel, den französisc­hen Gendarmen, den deutsche Hooligans 1998 bei der WM in Frankreich ins Koma prügelten.

Das Kontrollsy­stem, so dicht gewebt wie nie zuvor, kann Sprengstof­f in homöopathi­schen Dosierunge­n nachweisen. Es bietet Sicherheit­skräfte in Divisionss­tärke auf. Es kann Stadionbes­ucher durchleuch­ten – doch hineinsehe­n in sie kann es nicht. Und es kann nicht verhindern, dass sich Fans, die keine sind, Schlachten von primitiver Gewalt liefern. In 18 Jahren hat der Fußball nichts dazugelern­t. Und die Menschen nichts mit ihm. Radikalitä­t ist noch immer salonfähig.

Diese EM wollte ein Zeichen setzen, die vage Zuversicht auf ein ziviles Miteinande­r erneuern. Doch ihr brutaler Auftakt führt auf erschrecke­nde Weise vor, wie fragil unser auf Sicherheit gründendes Leben ist. Wie latent gegenwärti­g die Gewalt.

Und wie schwer der einfache Frieden.

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