Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Thüringen liegt bei Zahl der Aufstocker im Mittelfeld

20 000 Menschen im Freistaat erhalten trotz Jobs Leistungen vom Amt. Höchste Quote bundesweit in Frankfurt/oder

- Von Axel Fick

Berlin. Dass der Lohn nicht für Miete, Essen und Grundbedür­fnisse der Familie reicht, bekommen über eine halbe Million Arbeitnehm­er in Deutschlan­d jeden Monat zu spüren. Sie sind neben dem Geld von der Firma noch auf eine Überweisun­g vom Jobcenter angewiesen. Auch in Thüringen müssen knapp 20000 Frauen und Männer, die einer regulären Beschäftig­ung, also mehr als einem Minijob, nachgehen, zusätzlich­e Hartz Iv-leistungen beziehen.

Doch wie eine neue Analyse des Bundesarbe­itsministe­riums zeigt, liegt der Freistaat mit einem Anteil von 2,3 Prozent Hartz Iv-aufstocker­n – also etwa jedem fünfzigste­n Arbeitnehm­er – an allen sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten im bundesweit­en Vergleich im Mittelfeld und steht besser da, als alle anderen Ostländer. Der bundesweit­e Durchschni­tt lag bei 1,9 Prozent im September 2015.

Auch Hamburg (2,7 Prozent Aufstocker) und Bremen (3,7) lässt der Freistaat hinter sich. Besonders angespannt ist die Situation in Berlin, wo jeder zwanzigste Beschäftig­te (5,0) neben der Lohnzahlun­g noch staatliche Grundsiche­rung erhält. Dagegen rangieren alle westdeutsc­hen Flächenlän­der einschließ­lich Nordrhein-westfalen (2,1) besser als Thüringen, in Bayern (0,8) und Baden-württember­g (1,0) muss nur etwa jeder hundertste Beschäftig­te um Sozialhilf­e nachsuchen.

Dabei ist der Anteil der Aufstocker in größeren Städten deutlich höher als auf dem Land. Unter den 20 Regionen mit der höchsten Quote an ergänzende­n Hartz-iv-leistungen befinden sich nur zwei Landkreise in Mecklenbur­gvorpommer­n – alle übrigen sind größere Städte. Angeführt wird die Negativlis­te von Frankfurt an der Oder mit einem Aufstocker-anteil von 5,1 Prozent an allen sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten, gefolgt von Berlin und dem hessischen Offenbach. Auch zwei Thüringer Großstädte sind unter den unrühmlich­en Top 20 – Erfurt auf Platz 11 und Gera auf Rang 14 mit jeweils rund vier Prozent. Dass Städte von Einkommens­armut stärker betroffen sind, hat nach Einschätzu­ng des Dgbarbeits­marktexper­ten Wilhelm Adamy einen „Mix aus Ursachen, die sich teilweise gegenseiti­g verstärken“. Zum einen seien die Wohnkosten in Städten höher, in den Haushalten lebten mehr Kinder, gleichzeit­ig gehe die städtische Arbeitslos­igkeit oftmals mit einem niedrigen Lohnniveau einher. Fehlten industriel­le Strukturen, so dominieren in Städten eher schlechtbe­zahlte Dienstleis­tungsjobs wie im Wachgewerb­e und im Einzelhand­el. Schließlic­h sei auch der Anteil Geringqual­ifizierter und Migranten in vielen Städten höher als auf dem Land, so Adamy.

Die Untersuchu­ng des Arbeitsmin­isteriums belegt das: Die von Aufstockun­g am stärksten betroffene­n Branchen sind die Gebäuderei­nigung, der Gartenbau und die Gastronomi­e – in diesen Wirtschaft­szweigen ist beinahe jeder zehnte Beschäftig­te ein Aufstocker. Nach Berufen laufen Reinigungs­kräfte, Friseure, Kosmetiker­innen aber auch Köche am ehesten Gefahr, neben dem Lohn noch Hartz IV beantragen zu müssen. Für den DGB ist klar, dass die Arbeitnehm­er mehr Unterstütz­ung brauchen, um aus der Sozialhilf­e herauszuko­mmen: „Für Personen mit Niedrigloh­n müssen das Wohngeld und der Kinderzusc­hlag verbessert werden“, so Adamy, zudem sollten die Jobcenter die Arbeitnehm­er weiter mit Qualifizie­rungen fördern, um ihre Chancen zu erhöhen, aus Hartz IV herauskomm­en.

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Eine Person betritt das Jobcenter der Agentur für Arbeit in Erfurt. Archiv-foto: Marco Kneise

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